Ernährungsprobleme
Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, Redaktion: Julia Dobke, Freigabe: Prof. Dr. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 19.08.2020
Als Folge ihres Krebsleidens können viele Patienten Stoffwechselstörungen entwickeln, die zu Abmagerung und Auszehrung (Kachexie) führen. Darüber hinaus entstehen bei Kindern und Jugendlichen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen regelmäßig zunehmende Ernährungschwierigkeiten. Im Zusammenhang damit kommen Appetitlosigkeit (Anorexie), Schluckbeschwerden und Gewichtsverlust häufig vor.
Ursachen
Die Ursachen einer tumorbedingten Abmagerung (Tumor-Kachexie) sind komplex und bisher nur teilweise geklärt. Man weiß allerdings, dass bestimmte Stoffwechselprodukte des Tumors sowie spezielle Botenstoffe, die infolge der Krebserkrankung vom Körper der Patienten gebildet und freigesetzt werden, bei der Entwicklung einer Kachexie eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus können auch weitere Faktoren zu Appetitverlust und Ernährungsschwierigkeiten der Patienten führen:
- Schmerzen (s.o.)
- Verdauungsstörungen (s.o.)
- Übelkeit und Erbrechen (s.o.)
- psychologische Faktoren (zum Beispiel Angst oder Depressionen; s.u.)
- Mattigkeit (Fatigue; s.u.)
- Infektionen im Mund- und Rachenbereich oder im Magen-Darm-Trakt (s.u.)
- Nebenwirkungen von Behandlungen (zum Beispiel Antibiotika- oder Chemotherapie).
Behandlungen
Das starke Bedürfnis von Eltern, ihr krankes Kind zu ernähren, wird vom Palliativteam ernst genommen. Deshalb gehören Beratung und Unterstützung bei Ernährungsproblemen zu einer umfassenden palliativen Versorgung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Lebensqualität des Patienten. Diese muss allerdings - aus der Sicht des Patienten - nicht unbedingt gleichbedeutend mit „Gewicht halten“ oder gar "an Gewicht zunehmen" sein.
Wichtig zu wissen: Viele Kinder und Jugendliche zeigen in der Lebensendphase nur wenig oder kein Interesse an (fester) Nahrung. Aus der Sicht des Patienten muss diese Appetitlosigkeit jedoch nicht eine Verminderung seiner Lebensqualität bedeuten.
Eine Behandlung, die die Ursachen einer tumorbedingten Abmagerung beheben kann, gibt es derzeit noch nicht. Andere Ursachen (s.o.) wird das Ärzteteam vor Beginn einer Behandlung Überprüfen.
Allgemeine, unspezifische Maßnahmen
Unabhängig von den Ursachen können folgende allgemeine und psychologische Maßnahmen für eine Verbesserung von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme durchaus hilfreich sein:
- Vermeidung/ Entfernung unliebsamer Gerüche
- Berücksichtigung von Wünschen der Patienten ("Lieblingsgerichte" anbieten)
- häufiges Anbieten kleiner Mahlzeiten
- Schaffung einer angenehmen Umgebung.
Medikamentöse Therapie
Es gibt Medikamente, die über Beeinflussungen des Fett- oder Zuckerstoffwechsels, sowie über Stimmungsaufhellung Appetitsteigerung und Gewichtszunahme bewirken können:
- Steroidhormone (zum Beispiel Glukokortikoide oder Gestagene)
- Cannabinoide
Wichtig zu wissen: Eine Behandlung mit Steroidhormonen kann mit schweren unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen (zum Beispiel Störungen des Mineral- und/oder Zuckerstoffwechsels). Außerdem bedeutet "Gewichtszunahme" nicht unbedingt "bessere Lebensqualität" für den Patienten. Daher sollte nur zusammen mit dem zuständigen Arzt und bezogen auf die individuelle Situation des Patienten entschieden werden, ob eine medikamentöse Behandlung der Ernährungsprobleme angezeigt ist, und wenn ja, welche, in welchen Dosierungen und wie lange.
Weitere Maßnahmen
Bei manchen palliativ versorgten Kindern und Jugendlichen kann eine zeitweilige Nahrungs- und Flüssigkeitsversorgung über eine Magensonde (enterale Ernährung) oder intravenös (i.v.) (parenterale Ernährung) sinnvoll sein. Auf diese Weise kann die Ernährbarkeit des Patienten für eine gewisse Zeit erleichtert werden. Einerseits kann sowohl eine enterale als auch parenterale Ernährung besonders in den letzten Lebenswochen von krebskranken Kindern und Jugendlichen zahlreiche Probleme und Nebenwirkungen auslösen, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Andererseits gibt es aber auch viele pädiatrische Palliativpatienten, die durchaus auch in den letzten Lebenstagen von enteraler oder parenteraler Ernährung profitieren.
Folgende Beschwerden einer künstlichen Ernährung können auftreten:
- Unbehagen (zum Beispiel durch die Magensonde oder bewegungseinschränkende i.v.-Zugänge)
- durch versehentlich (zum Beispiel aufgrund von Schluckbeschwerden oder Schluckstörungen) verschluckte Nahrung verursachte Lungenentzündung (Aspirationspneumonie)
- Wassereinlagerungen im Bauchraum (Aszites), Gehirn (Hirnödem), Herzbeutel (Perikarderguss) oder in der Lunge (Lungenödem)
- Übelkeit und Erbrechen
- Flüssigkeits- und Elektrolytschwankungen
- Infektionen (zum Beispiel im Bereich des i.v.-Zugangs).
Wichtig zu wissen: Regelmäßiges Anfeuchten von Lippen und Mund des Patienten verhindert unangenehmes Austrocknen des Mundraums, ganz besonders, wenn er selbst keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen kann. Auch durch dieses regelmäßige Anfeuchten können die Patienten beachtliche Mengen an Flüssigkeit aufnehmen. Gleichzeitig bietet das Sich-Hinsetzen und Mund-Befeuchten zusätzliche gemeinsame Momente zwischen Patienten und Angehörigen.