Was bedeutet Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen, wann wird sie notwendig und welche Ziele und Standards hat sie?

Autor: Dr. med. habil. Gesche Tallen, Redaktion: Julia Dobke, Freigabe: Prof. Dr. med. Ursua Creutzig, Zuletzt geändert: 26.08.2020

Bei den meisten Patienten lässt sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ihrer Krebserkrankung nicht vorhersagen, ob sie jemals eine Palliativversorgung benötigen werden. Die Notwendigkeit ergibt sich vielmehr aus dem individuellen Krankheitsverlauf. Dieser kann, je nach Ansprechen auf die Therapie und deren Verträglichkeit, unterschiedlich erfolgreich verlaufen. Bei fortschreitender, oder erneut auftretender, nicht auf die Behandlungen ansprechender Erkrankung ist meist eine Palliativversorgung angezeigt. Wie lange eine Palliativphase dauert, hängt von der persönlichen Situation, insbesondere dem Krankheitsstadium des einzelnen Patienten ab.

Definition von Palliativversorgung bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen

Der Begriff Palliativversorgung in der Kinderkrebsheilkunde beschreibt die umfassende Versorgung von Kindern und Jugendlichen, deren Krebserkrankung fortschreitet oder die nach einer zunächst erfolgreichen Therapie erneut auftritt und nicht mehr auf eine heilende Behandlung anspricht. Dies bezieht sich nicht nur auf die Lebensendphase.

Ziele

Im Zentrum der pädiatrischen Palliativversorgung stehen die schwerkranken Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien. Die Palliativversorgung hat die folgenden Ziele:

  • Behandlung von körperlichen und seelischen Beschwerden (siehe: Welche Beschwerden können palliativ versorgte Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen haben und welche Behandlungen gibt es?)
  • Lebensverlängernde Versorgung (zum Beispiel durch Bluttransfusionen, Chemotherapie, Bestrahlung, Operationen)
  • Die Lebensqualität optimierende und familienunterstützende Versorgung/Trauerarbeit (siehe: Welche Bedürfnisse können die Betroffenen haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?)

Pädiatrische Palliativversorgung soll allen Kindern und Jugendlichen, die sie brauchen, sowie deren Angehörigen zugutekommen, unabhängig von deren sozialem Status, Herkunft oder Religion. Ziel ist es, ihnen eine angemessene medizinische, psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung und Begleitung zu ermöglichen.

Die palliative Versorgung richtet sich nach dem Willen sowie den Wünschen und Bedürfnissen des Patienten und seiner Familie. Dabei spielt die persönliche Lebensgeschichte und -situation des Patienten eine wichtige Rolle.

Standards

Wichtig zu wissen: Folgende Standards dürfen die Betroffenen bei der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen (in Europa) erwarten:

Gleichheit

  • gleicher Zugang zur Palliativversorgung für jedes Kind und jeden Jugendlichen, ungeachtet der finanziellen Möglichkeiten seiner Familie

Versorgung im Interesse des Kindes / Jugendlichen

  • oberste Priorität hat das Wohl des Patienten bei jeder medizinischen Entscheidung
  • Verzicht auf Behandlungen, die den Patienten belasten, ohne ihm einen erkennbaren Nutzen zu bringen
  • angemessene Behandlung von Schmerzen und anderen Beschwerden durch medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien, und diese zu jeder Zeit des Bedarfs
  • Behandlung mit Würde und Respekt, unabhängig von den körperlichen oder intellektuellen Fähigkeiten des Patienten
  • Recht auf eine Privatsphäre
  • rechtzeitige und gemeinsame Planung von besonderen Bedürfnissen Jugendlicher und junger Erwachsener

Informationsvermittlung und unterstützende Gespräche durch das Versorgungsteam

Das bedeutet:

  • Umfassende Informationsvermittlung über den Gesundheitszustand, die Therapiewahl, eventuelle Therapieänderungen und deren Folgen für alle Betroffenen, besonders für den Patienten und seine Angehörigen
  • Altersgerecht formulierte Informationen für den Patienten (und bei Bedarf auch für Geschwister)
  • Unterstützung bei der Bewältigung ethischer Fragestellungen und Konflikte (zum Beispiel können manche Therapieentscheidungen besonders schwer fallen und Gewissenskonflikte unter den Beteiligten auslösen), hier könnte ein Seelsorger oder ein weiterer Spezialist einbezogen werden.

Spezielle Versorgungsstrukturen

In der Palliativphase sollte die Versorgung möglichst zuhause erfolgen. Um dieses zu ermöglichen, gibt es einen Anspruch auf die Unterstützung durch ein spezialisiertes Team (siehe: Wer ist für die Palliativversorgung bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen zuständig?).

Sonstige Hilfen

  • Fachberatung zu Hilfsmittelversorgung und finanziellen Hilfen
  • Betreuung von Geschwistern
  • psychologische Unterstützung der ganzen Familie in der Lebensendphase sowie bei der Trauerarbeit nach dem Tod des Patienten
  • seelsorgerische und / oder religiöse Betreuung.

Bildung

  • Unterstützung des Patienten bei Schulbesuchen (so lange wie möglich)
  • Bereitstellung von Möglichkeiten, altersgerechten Aktivitäten nachzugehen.