Bestrahlung aus der Nähe: Brachytherapie
Autor: Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 01.10.2019
Bei der Brachytherapie findet, im Gegensatz zur Teletherapie, die Bestrahlung aus einer kurzen Distanz statt (die Vorsilbe „brachy-„ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „kurz“). Die Reichweite zwischen Strahler und Tumor beträgt dabei in der Regel deutlich weniger als 10 cm. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass hohe Strahlendosen direkt auf den Tumor verteilt werden können, während das gesunde Nachbargewebe nur einer geringfügigen Strahlenbelastung ausgesetzt ist. Als Strahlungsquelle dienen Gamma- oder Betastrahler (so genannte Radionuklide, zum Beispiel 192Iridium), die zunächst in unterschiedliche Träger, so genannte Applikatoren, und dann im Rahmen einer kleinen Operation in den Tumor eingeführt werden (siehe Kapitel "Strahlungsarten“).
Die Hauptanwendungsgebiete der Brachytherapie bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen sind:
- die „Boost-Therapie“ in Kombination mit der Teletherapie
- die alleinige Strahlentherapie zur Lokalbehandlung von kleinen, gut abgegrenzten soliden Tumoren.
Wichtig zu wissen: Eine Brachytherapie kommt für Tumoren in Frage, die operativ oder über Körperhöhlen (wie Vagina oder Speiseröhre) gut erreichbar sind Denn dies ist die Voraussetzung dafür, dass Strahlenträger tumornah implantiert werden können (siehe Abschnitt „Implantation der Strahler“ unten).
Zu diesen Tumoren gehören beispielsweise oberflächlich gelegene Weichteiltumoren, manche Kraniopharyngeome, kleine niedriggradig maligne Gliome, manche Hirnstammtumoren, bestimmte Rückfallerkrankungen von ZNS-Tumoren, kleine Retinoblastome und andere umschriebene (klar abgegrenzte) Tumoren in der Augenhöhle [SAU2012].
Durchführung der Brachytherapie
Aus Gründen des Strahlenschutzes erfolgt die Brachytherapie heute nach dem so genannten Nachladeverfahren (“Afterloading”). Dabei werden nicht-radioaktive Führungshülsen (Applikatoren wie beispielsweise kleine Hohlnadeln, Metallstifte, Hülsen oder Schläuche) von weniger als 1 cm Durchmesser für eine gewisse Zeit direkt in die gewünschte tumornahe Position platziert. Die radioaktiven Strahler werden erst im Anschluss an diese Implantation fern-/computergesteuert über einen kleinen Schlauch in die Applikatoren eingebracht. Dabei befindet sich das Bestrahlungsteam in einem Kontrollraum außerhalb des Bestrahlungsraumes.
Die Platzierung des Applikators erfolgt bei Kindern und Jugendlichen in der Regel als kleiner operativer Eingriff in einer kurzen Vollnarkose, seltener in örtlicher Betäubung. Bildgebende Kontrolluntersuchungen (Röntgenuntersuchung, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) helfen anschließend dabei, die korrekte Position des Applikators sicherzustellen. Ist der Applikator richtig positioniert, wird er fixiert, so dass sich seine Lage später nicht verändert, auch dann nicht, wenn der Patient sich bewegt und/oder wenn der Tumor eventuell seine Position verlagert. Diese vorbereitenden Maßnahmen nehmen die meiste Zeit in Anspruch, denn die Bestrahlung dauert meist nur ein paar Minuten. Danach wird der radioaktive Strahler computergesteuert wieder entfernt. Der Zeitpunkt der Applikator-Entfernung wird in der Regel individuell entschieden. Je nach Tumor und Art des Strahlers können sie vorübergehend oder dauerhaft liegen bleiben.
Arten der Brachytherapie
Bei der Brachytherapie unterscheidet man folgende Anwendungsformen:
Intrakavitäre (Intraluminale) Barachytherapie
Bei der intrakavitären (intraluminalen) Brachytherapie wird der Strahler in eine natürliche Körperhöhle eingeführt. Diese Vorgehensweise findet hauptsächlich bei Krebserkrankungen im Erwachsenenalter Anwendung (zum Beispiel Einführung in Gebärmutter oder Scheide bei Gebärmutterkrebs, in die Luftröhre bei bestimmten Formen von Lungenkrebs, in die Speiseröhre bei Speiseröhrenkrebs). Diese Krebsarten kommen bei Kindern und Jugendlichen so gut wie gar nicht vor.
Interstitielle Brachytherapie
Bei der interstitiellen Brachytherapie werden die Führungshülsen, meist kleine Schläuche oder Hohlnadeln (Katheter), direkt in den Tumor eingebracht. Diese können dort, abhängig von der Art des Tumors und vom verwendeten Radionuklid, entweder zeitweilig, das heißt zwischen zwei Bestrahlungsterminen („temporäre Implantation“) oder permanent verbleiben.
Permanente “Seed”-Implantation
Bei der permanenten Seed-Implantation werden zahlreiche kleine radioaktive Metallstiftchen oder kleine Kapseln, die jeweils Radionuklide enthalten, im Rahmen einer kurzen Operation sozusagen im Tumor ausgesät („Seed“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Samen“). Dieses Vorgehen ermöglicht eine kontinuierliche, weitgehend auf den Tumor begrenzte Strahlentherapie, zu der der Patient nicht immer Termine wahrnehmen muss. Die Radionuklide zerfallen recht schnell. Daher können die „Seeds“ im Körper verbleiben. Die permanente Brachytherapie mit Seeds hat bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit bestimmten niedriggradig malignen Gliomen bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt [KOR2011], ist aber insgesamt für diese Altersgruppe noch nicht als Standardtherapieform etabliert.
Oberflächenkontakttherapie
Diese Form der Brachytherapie spielt eine wichtige Rolle in der Erwachsenenonkologie zur Behandlung oberflächlich gelegener Tumoren. Dabei wird der Applikator mit Strahler in Tumornähe auf der Haut platziert und wieder entfernt, sobald die gewünschte Strahlendosis in das Tumorgewebe eingedrungen ist.