Nebenwirkungen: Welche Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie können auftreten und wie werden sie behandelt?
Autor: Julia Dobke, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 07.07.2021
Inhaltsverzeichnis
Nach der Lymphodepletion und der CAR-T-Zell-Gabe kommt es zu Reaktionen des Körpers. Einerseits werden schnell viele Krebszellen zerstört, was zu Problemen führen kann (Tumorlyse-Syndrom), andererseits rufen die CAR-T-Zellen eine Immunreaktion hervor, die sehr stark sein kann (Zytokin-Freisetzungsyndrom). Auch Nebenwirkungen, die das Nervensystem betreffen, können auftreten.
Tumorlyse-Syndrom
Wenn viele Krebszellen gleichzeitig zerstört werden, kann es zu einem Tumorlyse-Syndrom kommen. Hierbei übersteigt die Menge der in den Blutkreislauf freigesetzten Zellbestandteile durch Tumorzellzerfall die Ausscheidungskapazität der Niere.
Um das zu verhindern, werden vorsorgliche Maßnahmen getroffen: Einerseits erhält der Patient eine Dauerinfusion, damit für eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit gesortgt ist. Andererseits werden harnfördernde Medikamente (zum Beispiel Furosemid) verabreicht, um die Nieren bei der Urinausscheidung zu unterstützen. Gleichzeitig werden weitere Medikamente verabreicht, die die Folgen des Zellverfalls im Körper verringern.
Zytokin-Freisetzungssyndrom – CRS (Cytokine Release Syndrome)
Das Zytokin-Freisetzungssyndrom, (CRS), ist eine systemische Entzündungsreaktion, die im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie auftreten kann. Sie ist durch eine massive Freisetzung von Zytokinen gekennzeichnet, die durch eine Aktivierung von weißen Blutzellen (Leukozyten) ausgelöst wird. Besonders schwere Verläufe werden auch als Zytokin-Sturm bezeichnet.
Bis zu einem gewissen Grad ist das Auftreten des CRS nach der CAR-T-Zell-Gabe erwünscht, da es ein Zeichen für die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen ist. Fällt aber die Reaktion zu heftig aus, kann sich eine lebensbedrohliche Situation entwickeln, die eine Behandlung auf der Intensivstation erforderlich macht.
Um das Einsetzen der CRS frühzeitig erkennen zu können, ist es nötig, dass der Patient nach der CAR-T-Zell-Gabe mindestens für 14 Tage im Krankenhaus verbleibt, da das CRS erst einige Tage nach der CAR-T-Zell-Gabe auftreten kann.
Blutwerte und Vitalzeichen werden engmaschig kontrolliert.
(Erste) Anzeichen des CRS
Anzeichen eines Zytokin-Freisetzungssyndroms können das Auftreten von Fieber, erhöhtem Herzschlag, erniedrigtem Blutdruck, Hautausschlag, Übelkeit, Erbrechen oder Müdigkeit sein. Bei schweren Verläufen wird der Kreislauf instabil, es können Störungen der Blutgerinnung auftreten und es kommt zu Atemproblemen. Im Blut werden erhöhte Zytokinspiegel gemessen.
Behandlung des CRS
Die jeweiligen Krankheitszeichen des CRS werden gezielt behandelt, zum Beispiel mit fiebersenkenden Mitteln, Medikamenten gegen Übelkeit, Gabe von Sauerstoff und kreislaufstabilisierenden Medikamenten. Es gibt zudem ein hochwirksames Medikament (Tocilizumab) zur Behandlung des CRS. Insbesondere das Interleukin-6 (IL-6), ein Botenstoff im Blut, der für die Immunabwehr wichtig ist, ist bei einem CRS stark erhöht. Tocilizumab hindert das Interleukin-6 daran, eine Entzündungsreaktion im Körper hervorzurufen. Dadurch werden die Symptome des CRS reduziert oder ganz behoben.
Neurologische Nebenwirkungen
Auch Krankheitszeichen, die das Zentralnervensystem (ZNS) betreffen, können nach CAR-T-Zelltherapie auftreten. Häufig geht diesen neurologischen Nebenwirkungen ein Zytokin-Freisetzungssyndrom voraus (siehe oben).
Es wird vermutet, dass auch für neurologische Nebenwirkungen das Zytokin Interleukin-6 mit verantwortlich ist. Die Beteiligung des Zentralnervensystems wird auch als CRES (CAR-T cell-related encephalopathy syndrome) oder ICAN (Immun-Effektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom) bezeichnet.
Zu Beginn können Kopfschmerzen, eine allgemeine Verlangsamung bei Tätigkeiten und beim Sprechen, Verwirrtheit, Müdigkeit und ein verändertes Schriftbild Anzeichen einer neurologischen Beteiligung sein. Verstärken sich die Symptome, kann es zu Sprachstörungen, visuellen Halluzinationen, geistigen Verwirrungen (Delir) und Krampfanfällen kommen.
Zur Abklärung sollte auf jeden Fall eine Computertomographie (Ct) oder Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns erfolgen. Falls möglich, sollte auch eine Lumbalpunktion durchgeführt werden sowie eine Elektroenzephalographie [EEG] zur Beurteilung der Gehirnaktivität und Beurteilung des Risikos für das Auftreten von Krampfanfällen.
Die Therapie der neurologischen Nebenwirkungen erfolgt in der Regel durch die Gabe von Glukokortikoiden wie Dexamethason oder Methylprednison. Zur Prophylaxe und Behandlung von Krampfanfällen sollte ein Antiepileptikum eingesetzt werden.
Fast immer bilden sich die meisten Symptome wieder komplett zurück, es kann in Einzelfällen aber auch zu sehr schwer verlaufenden Krankheitsbildern mit tödlichem Ausgang kommen.
Hämatologische Nebenwirkungen
Knochenmarkdepression
Alle Patienten erhalten vor der CAR-T-Zell-Gabe eine Chemotherapie zur Reduktion der Lymphozyten in Blut und Knochenmark (Lymphodepletion). Da die Lymphodepletion die Funktion des Knochenmarks heruntersetzt, kann schon während der Lymphodepletion selbst, aber insbesondere auch nach der Gabe der CAR-T-Zellen die Anzahl der Blutzellen erniedrigt sein.
Das betrifft besonders die weißen Blutzellen (Leukozyten) und deren Untergruppe, die neutrophilen Granulozyten. Deren Anzahl kann über mehrere Wochen erniedrigt sein. In der Folge haben die Patienten ein erhöhtes Risiko, an einer Infektion mit Bakterien, Viren oder Pilzen zu erkranken. Nach der Entlassung nach Hause sollten die Eltern beim Auftreten von Fieber oder anderen Anzeichen für eine Infektion sofort Kontakt zum behandelnden Ärzteteam aufnehmen. Es sollte gewährleistet sein, dass die Klinik umgehend in weniger als zwei Stunden aufgesucht werden kann.
Auch die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und/ oder die Blutplättchen (Thrombozyten) können erniedrigt sein, so dass der Ersatz dieser Blutzellen durch Transfusionen nötig sein könnte.
B-Zell-Aplasie und Immunglobulinmangel
Die derzeit in den Kliniken zur Verfügung stehenden CAR-T-Zell-Produkte sind gegen das B-Zell-Oberflächeneiweiß CD19 gerichtet, wodurch nicht nur CD19-positive Leukämiezellen, sondern auch gesunde, funktionstüchtige CD19-positive B-Lymphozyten attackiert und im Organismus der Patienten vernichtet werden. B-Lymphozyten sind im Rahmen der Immunabwehr für die Bildung von Antikörpern gegen Viren und Bakterien zuständig. Sie produzieren die sogenannten Immunglobuline, die für die Vernichtung von körperfremden Viren und Bakterien (Pathogene) notwendig sind. Fehlen diese Immunglobuline, besteht ein hohes Risiko, an schwer verlaufenden Infektionen zu erkranken.
Bei Patienten, die nach CAR-T-Zell-Gabe einen Immunglobulinmangel haben, muss regelmäßig der Gehalt der Immunglobuline im Serum kontrolliert werden, und bei Bedarf müssen ntravenös oder subkutan Immunglobuline verabreicht werden.
Vorsorglich sollten alle Patienten in den ersten drei Monaten nach CAR-T-Zelltherapie Medikamente nehmen, die gegen bestimmte Viren und Pilze wirksam sind, um eine Infektion frühzeitig zu verhindern.