Chemotherapie

Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 23.03.2007, Zuletzt geändert: 06.05.2020

Im Rahmen der derzeitigen Behandlungspläne erfolgt bei Patienten mit einem hochmalignen Gliom zusätzlich zu Operation und Bestrahlung eine Chemotherapie. Man versteht darunter eine Behandlung mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika), die darauf abzielt, Krebszellen in ihrem Wachstum zu stoppen oder zu vernichten. Die Chemotherapie hat bei Patienten mit einem hochmalignen Gliom das Ziel, gemeinsam mit einer Strahlentherapie die nach einer Operation verbliebenen Tumorzellen zu vernichten beziehungsweise das Wachstum des Tumors zu stoppen.

Therapiestudien haben gezeigt, dass sich der gleichzeitige Einsatz von Chemo- und Strahlentherapie (verglichen mit einer alleinigen Strahlentherapie) positiv auf die Behandlungsergebnisse auswirkt und die Überlebenszeit der Patienten verlängern kann [WOL2010] [WOL2002]. Eine vollständige Zerstörung des Tumors durch Chemo- und Strahlentherapie allein ist, anders als bei vielen anderen Krebserkrankungen, nicht möglich.

Welche Medikamente werden eingesetzt und wie werden sie verabreicht?

Die chemotherapeutische Standard-Behandlung erfolgt in Deutschland derzeit mit dem Zytostatikum Temozolomid, das im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie HIT-HGG-2007 erstmalig zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit hochgradig malignen Gliomen eingesetzt wurde. Bei früheren Chemotherapien wurden mehrere Zytostatika gleichzeitig gegeben, im Rahmen der HIT-GBM-Studien beispielsweise die Medikamente Vincristin, Cisplatin, Etoposid, Ifosfamid, Lomustin (CCNU) und Prednison.

Inzwischen vorliegende Ergebnisse der HIT-HGG-2007-Studie (die seit Ende 2016 für die Patientenaufnahme geschlossen ist) und anderer Studien zeigen zwar, dass die Behandlung mit Temozolimid nicht wirksamer ist als eine Behandlung mit den früher eingesetzten Medikamenten [COH2011]. Der Vorteil gegenüber den sonst bei hochmalignen Gliomen eingesetzten Chemotherapeutika ist jedoch, dass Temozolomid in Tablettenform eingenommen werden kann und nicht gespritzt oder als Infusion gegeben werden muss.

Damit kann die Chemotherapie weitgehend zu Hause oder ambulant durchgeführt werden. Krankenhausaufenthalte werden dadurch deutlich reduziert und die Lebensqualität dadurch verbessert. Darüber hinaus hat Temozolomid erfahrungsgemäß deutlich weniger Nebenwirkungen als andere Medikamente [KRA2008a] [KRA2010] [SEI2018].

Wie wird die Chemotherapie durchgeführt?

Die Chemotherapie erfolgt in mehreren Zyklen oder Phasen. Der Vorteil einer solchen Intervallbehandlung liegt darin, dass Krebszellen, die während des ersten Zyklus nicht erfasst werden, in einer der nachfolgenden Behandlungsphasen vernichtet oder am Wachstum gehindert werden können. Zwischen den Therapiephasen liegen Behandlungspausen, die dem Körper die Möglichkeit geben, angegriffenes gesundes Gewebe zu regenerieren. Besser als bösartige Zellen sind gesunde Zellen nämlich in der Lage, die durch die Chemotherapie verursachten Schäden an ihrer Erbinformation zu erkennen und zu reparieren.

Im Rahmen der derzeitigen Behandlungspläne besteht die Standard-Chemotherapie bei hochmalignen Gliomen aus zwei großen Behandlungsabschnitten:

  • Induktionsphase: Die Anfangsbehandlung (Induktionstherapie) mit Temozolomid erfolgt zeitgleich mit der Strahlentherapie (also etwa fünf bis sechs Wochen lang) und ist daher besonders intensiv. Das Ziel dieser Radiochemotherapie ist, einen nicht-operablen Tumor so weit wie möglich zu verkleinern oder zumindest einen Wachstumsstillstand zu erreichen. Konnte der Tumor durch eine Operation vollständig entfernt werden, zielt die Behandlung darauf ab, im Körper verbliebene Tumorzellen zu zerstören.
  • Erhaltungsphase: Die Erhaltungstherapie, auch Konsolidierungstherapie genannt, dient der Erhaltung oder sogar Verbesserung der zuvor erzielten Therapieergebnisse. Sie besteht aus einer weiteren (alleinigen) Chemotherapie mit Temozolomid und dauert etwa ein Jahr.

Die Behandlung erfolgt zu Therapiebeginn zeitweise stationär, während der Erhaltungstherapie wird der Patient in der Regel ambulant betreut.

Weitere Informationen zur Standard-Behandlung, wie sie im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie HIT-HGG 2007 eingeführt wurde, erhalten Sie im Kapitel zur Studie HIT-HGG 2007. Informationen zur Behandlung gemäß der neuen Therapiestudie HIT-HGG 2013, die auf der bisherigen Standardbehandlung aufbaut, stellen wir in Kürze bereit.
Allgemeine Informationen zur Chemotherapie finden Sie hier.

Welche Nebenwirkungen hat die Chemotherapie und welche Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung gibt es?

Die Chemotherapie schädigt nicht nur die Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen, die sich häufig und schnell teilen (zum Beispiel Zellen der Mund- und Darmschleimhaut, Haarwurzel- und Knochenmarkzellen). Dadurch kommt es im Laufe der Behandlung zu einer Reihe von Nebenwirkungen, die je nach Art und Dosierung der Medikamente unterschiedlich stark sind.

Gut zu wissen: Nicht alle Patienten reagieren in gleicher Weise auf die Chemotherapie. Das heißt: Nicht alle der im Folgenden aufgeführten Nebenwirkungen treten bei jedem Patienten auf. Darüber hinaus empfindet jeder Patient einzelne Nebenwirkungen unterschiedlich stark.

Häufige Nebenwirkungen

  • Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer einer Behandlung mit dem Zytostatikum Temozolomid zählen Störungen im Magen-Darm-Trakt (wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen, Schleimhautschmerzen, besonders im Mund), Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Hautausschlag sowie Haarausfall. (Der Haarausfall bildet sich meist drei bis sechs Monate nach Therapieende von selbst vollständig zurück.)
  • Häufig ist auch die Bildung gesunder roter und weißer Blutkörperchen und Blutplättchen kann durch die Knochenmark schädigende Wirkung der Zytostatika beeinträchtigt sein. Durch den daraus resultierenden Mangel an Blutzellen kann es zu einer akuten, unter Umständen lebensbedrohlichen Infektionsgefahr sowie zu erhöhter Blutungsneigung und Blutarmut kommen.
  • Fieber, allgemeine Schwäche, Schmerzen, eine schlechte körperliche und psychische Verfassung, Geschmacksveränderungen, allergische Reaktionen mit Hautausschlag, ein Anschwellen der Zunge sowie Atemnot und allergischer Schock können als Folge der Chemotherapie ebenfalls auftreten.
  • Es kann häufig zu Gelenkschmerzen, Muskelschwäche, Muskel- und/oder Knochenschmerzen kommen.
  • Ferner können Nieren, Augen und Gehör, Gehirn und Nervensystem sowie die Lunge in ihrer Funktion gestört werden. Eine Störung der Nierenfunktion kann sich zum Beispiel mit häufigem Harndrang, Harninkontinenz oder einem Anstieg der Harnsäure im Blut bemerkbar machen, Augen und Gehörerkrankungen durch verschwommenes Sehen, Gesichtsfeldausfälle, Doppelsehen, Hörstörungen und Tinnitus. Zu den neurologischen Störungen zählen neben Kopfschmerzen Schläfrigkeit, Schwindel, Gefühlsstörungen, Krampfanfälle und Gedächtnisstörungen. Erkrankungen der Atemwege äußern sich zum Beispiel durch Luftnot und Husten.
  • Durch die Chemotherapie kann es gelegentlich zu einer Beeinträchtigung der männlichen und weiblichen Keimdrüsen – die Eierstöcke und die Hoden – kommen, die sich durch Ausbleiben der Regelblutung, Vaginalblutungen oder Impotenz bemerkbar machen. Auch Schmerzen in der Brustdrüse kommen vor.

Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung

Um den Nebenwirkungen der Chemotherapie vorzubeugen oder diese zu behandeln, wird das Behandlungsteam verschiedene unterstützende Behandlungsmaßnahmen (Supportivtherapie) ergreifen:

  • Während der Therapie auftretende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Entzündungen der Mund- und Darmschleimhaut lassen sich mit Hilfe von Medikamenten wirksam bekämpfen oder lindern.
  • Außerdem werden antibakterielle Medikamente (Antibiotika) sowie Medikamente gegen Pilze und gegebenenfalls Viren verabreicht, um gegen Infektionen vorzugehen oder diese von vornherein zu vermeiden.
  • Fehlende rote Blutzellen (Anämie) oder Blutplättchen (Thrombozytopenie) können durch die Gabe entsprechender Blutkonserven (Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate) ersetzt werden.
  • Mit Hilfe von Wachstumsfaktoren versucht man, die Bildung weißer Blutzellen anzuregen, die eine wichtige Rolle bei der Krankheitsabwehr spielen.
  • Im Hinblick auf eine eventuelle Unfruchtbarkeit oder Erbgutschäden besteht für männliche Patienten die Möglichkeit einer Samenentnahme und für weibliche Patienten einer Eizellentnahme vor Beginn der Therapie. Bitten Sie Ihr Behandlungsteam um weitere Informationen dazu. Zum Thema Fruchtbarkeit und Fruchtbarkeitserhalt können Sie sich auch auf unseren Seiten zum Thema "Spätfolgen für die Fortpflanzungsorgane" informieren.

Hier erhalten Sie ausführliche Informationen zur Supportivtherapie.

Gut zu wissen: Auch der Patient selbst beziehungsweise seine Angehörigen können durch verschiedene (vorbeugende) Maßnahmen dazu beitragen, Nebenwirkungen zu mildern und Komplikationen so gut wie möglich zu vermeiden. Dies gilt vor allem für Behandlungszeiten, die der Patient zu Hause verbringt (zum Beispiel Therapiepausen oder ambulante Behandlungsphasen).

Entsprechende Informationen (zum Beispiel zur Ernährung, zur Vorbeugung von Infektionen, zum Umgang mit Blutungen oder zur Linderung behandlungsbedingter Nebenwirkungen) finden Sie in unserem Text „Empfehlungen für zu Hause (während oder nach der Chemo-​ und Strahlentherapie)“. Individuelle Empfehlungen erhalten Sie von Ihrem Behandlungsteam.

Neben akuten Folgen der Chemotherapie muss unter Umständen auch mit verschiedenen Spätfolgen der Behandlung gerechnet werden. Informationen dazu finden Sie im Kapitel "Spätfolgen"