Behandlungsablauf (Standardtherapie bei Patienten ab 3 Jahren)
Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 23.03.2007, Zuletzt geändert: 27.04.2020
Im Folgenden wird die aktuelle Standardtherapie-Empfehlung für Kinder und Jugendliche ab drei Jahren mit hochmalignem Gliom (Grad-IV-Gliome, anaplastisches Gliom Grad III, Glioblastom, Ponsgliom, Gliomatosis cerebri) vorgestellt. Die Behandlungsempfehlung für Kinder unter drei Jahren weicht von dieser Therapieempfehlung vor allem dadurch ab, dass keine Strahlentherapie durchgeführt wird. Informationen zur Behandlung gemäß Therapieoptimierungsstudie HIT-HGG 2013, die im Februar 2018 eröffnet wurde, erhalten Sie im Kapitel „Therapiestudien".
Eine Behandlung mit dem Ziel der Heilung erfolgt prinzipiell in mehreren Therapieschritten. Wichtige Behandlungselemente sind die Operation, die Strahlentherapie und die Chemotherapie. Ziel ist immer die Heilung des Patienten. Leider ist die Erreichung dieses Ziels nicht immer gegeben, so dass bei manchen Patienten an Stelle der Heilung die Erhaltung der bestmöglichen Lebensqualität in den Vordergrund treten kann (Palliativtherapie).
Operation
Der erste Schritt bei der Behandlung eines Patienten mit hochmalignem Gliom ist die möglichst radikale beziehungsweise maximal mögliche operative Entfernung des Tumors (Tumorresektion). Im Behandlungsplan wird für jeden Patienten individuell diskutiert, ob eine Operation angezeigt ist. Inwieweit ein neurochirurgischer Eingriff in Frage kommt, hängt von der genauen Lage des Tumors und seiner Ausdehnung ab und wird letztlich vom Neurochirurgen festgelegt. Hirnstammgliome und die Gliomatosis cerebri beispielsweise können aufgrund ihrer Lage beziehungsweise ihres Wachstumsverhaltens nicht operiert werden.
Kann der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose nicht (vollständig) entfernt werden und ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel im Laufe oder nach Abschluss der anschließenden Chemo- und Strahlentherapie, die Möglichkeit einer umfassenderen Tumorentfernung, so kann ein zweiter chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen werden.
Kombinierte Strahlen-/Chemotherapie
Im Anschluss an die Operation oder, wenn der Tumor nicht operabel ist, an Stelle der Operation erfolgen eine Strahlentherapie und Chemotherapie. Die Behandlung besteht aus zwei großen Behandlungsabschnitten: der Induktionsphase (Anfangsbehandlung; Induktionstherapie) und der Erhaltungsphase (Konsolidierungstherapie). Beide Behandlungsabschnitte sind wiederum in mehrere Therapieblöcke unterteilt.
Induktionsphase
Die Induktionstherapie beginnt etwa zwei bis vier Wochen nach einer Operation beziehungsweiser einer bildgebenden Diagnose. Sie dauert sechs bis sieben Wochen und zielt darauf ab, einen nicht (vollständig) operablen Tumor so weit wie möglich zu verkleinern oder die nach einer kompletten Tumorentfernung möglicherweise im Körper verbliebenen Tumorzellen zu zerstören. Wesentliches Element ist die gleichzeitig durchgeführte (simultane) Strahlen- und Chemotherapie.
Im Rahmen der Strahlentherapie werden über einen Zeitraum von sechs bis sieben Wochen tägliche Strahlendosen von 1,8 Gy von außen auf die zu behandelnde Region eingestrahlt. Die Gesamtstrahlendosis richtet sich nach dem Alter des Patienten und der Lage des Tumors: Bei Kindern unter sechs Jahren beträgt die Gesamtstrahlendosis 54 Gy, bei Kindern ab sechs Jahren 59,4 Gy. Bei Patienten mit einem Gliom des Hirnstamms (Ponsgliom) wird die Gesamtstrahlendosis auf 54 Gy begrenzt. Die Bestrahlung erfolgt an fünf Tagen die Woche, die Wochenenden bleiben in der Regel bestrahlungsfrei.
Die Chemotherapie besteht aus einer Behandlung mit der Substanz Temozolomid (Temodal®), die vom ersten bis zum letzten Tag der Bestrahlung jeden Abend in Kapselform eingenommen wird. Dies gilt auch für die Wochenenden, auch wenn an Wochenendtagen nicht bestrahlt wird. An die Bestrahlung und parallele Chemotherapie schließt sich eine vierwöchige Therapiepause an. Sie dient der Erholung des Patienten.
Erhaltungsphase (Konsolidierung)
Die Erhaltungs- oder Konsolidierungstherapie beginnt etwa vier Wochen nach Abschluss der Induktionstherapie, also im Anschluss an die Erholungsphase. Sie ist eine reine Chemotherapie und dauert etwa ein Jahr. Ihr Ziel ist, die durch die Induktionstherapie erzielten Ergebnisse zu erhalten oder sogar zu verbessern.
Verabreicht wird wiederum Temozolomid. Das Medikament ist zunächst doppelt so hoch dosiert wie während der Bestrahlung und kann bei guter Verträglichkeit sogar noch in der Dosierung gesteigert werden. Die Therapie wird aber nur über jeweils fünf Tage durchgeführt, gefolgt von einer 23-tägigen Erholungsphase. Das bedeutet, dass die Temozolomid-Behandlung alle 28 Tage (vier Wochen) wiederholt wird (insgesamt zwölfmal). Der Behandlungserfolg wird durch regelmäßige MRT-Kontrollen überprüft.
Therapiemöglichkeiten nach Abschluss dieser Behandlung
Manchmal kommt es vor, dass der Tumor nach Abschluss der Therapie, eventuell auch bereits nach Beendigung der Induktionstherapie, operabel geworden ist und zu diesem Zeitpunkt dann vollständig entfernt werden kann. Wenn der Tumor wieder oder trotz aller Therapie weiterwächst, hilft die Standardtherapie nicht mehr. Der Patient kann dann, je nach individuellem Krankheitsverlauf, nach einem der aktuellen Therapieempfehlungen für Rezidive behandelt werden. Informationen zur Rezidivbehandlung erhalten Sie im Kapitel "Krankheitsrückfall".