Tumoren des Plexus choroideus (Kurzinformation)

Plexus choroideus-Tumoren sind sehr seltene Tumoren des Zentralnervensystems (ZNS-Tumoren). In diesem Text erhalten Sie Information zu Krankheitsbild, Häufigkeit, möglichen Ursachen und Symptomen sowie zu Diagnose, Therapieplanung, Behandlung und Prognose der Erkrankung.

Autor: Maria Yiallouros, Freigabe: PD Dr. Uwe Kordes, Dr. rer. nat. Stefan Hartung, Zuletzt geändert: 14.09.2020

Krankheitsbild

Tumoren des Plexus choroideus, auch Choroid-Plexus-Tumoren (CPT) oder, kurz Plexustumoren, genannt, sind sehr seltene Tumoren des Zentralnervensystems (ZNS). Sie entstehen durch Wucherung des Adergeflechts der Hirnkammern (Hirnventrikel), dem so genannten Plexus choroideus. Am häufigsten betroffen sind die beiden Seitenventrikel im Großhirn, aber auch der III. Ventrikel im Bereich des Zwischenhirns, der IV. Ventrikel im Hirnstamm oder der Kleinhirnbrückenwinkel können Ausgangspunkt des Tumorwachstums sein.

Es gibt sowohl gutartige als auch bösartige Choroid-Plexus-Tumoren. Je nach Grad der Bösartigkeit, der durch den WHO-Grad (gemäß WHO-Klassifikation) ausgedrückt wird, unterscheidet man zwischen:

  • gutartigen Choroidplexuspapillomen (CPP, WHO-Grad I)
  • mittelgradig bösartigen atypischen Choroidplexuspapillomen (APP, WHO-Grad II)
  • höhergradig bösartigen Choroidplexuskarzinomen (CPC, WHO-Grad III)

Die genannten Formen treten mit gleicher Häufigkeit auf. Während Plexuspapillome (WHO-Grad I und II) nur innerhalb der Hirnventrikel wachsen, neigt das bösartige Plexuskarzinom dazu, in umliegendes Hirngewebe einzudringen. Allerdings können sich bei allen Plexustumoren, also nicht nur bei Plexuskarzinomen, Tumorzellen über die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Nervenwasser, Liquor) im Liquorraum ausbreiten und so auch zur Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) im Rückenmark führen.

Choroid-Plexus-Tumoren fallen – bedingt durch ihre Herkunft – oft durch den begleitenden Wasserkopf (Hydrocephalus) auf (siehe Abschnitt „Symptome“).

Häufigkeit

Plexus choroideus-Tumoren machen insgesamt nur etwa ein halbes Prozent aller ZNS-Tumoren bei Kindern und Jugendlichen aus. Am häufigsten sind Kleinkinder, vor allem im ersten Lebensjahr, selten aber auch Jugendliche betroffen.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 10 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren neu an einem Plexustumor. Dies entspricht einer Häufigkeit von etwa 1 Neuerkrankung pro 1.000.000 Kinder und Jugendliche (über alle Altersgruppen). Im frühesten Lebensalter, in dem die Plexus choroideus-Tumoren ihren Häufigkeitsgipfel haben, ist ihr Anteil an den ZNS-Tumoren deutlich höher: Bei Kindern im ersten Lebensjahr liegt er bei bis zu 13 %.

Ursachen

Plexus choroideus-Tumoren entstehen durch eine Veränderung (Entartung) von Zellen des Adergeflechts in den Hirnkammern. Die Ursache für diese Veränderung ist noch weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche mit bestimmten angeborenen Fehlbildungskrankheiten, zum Beispiel einem Li-Fraumeni-Syndrom, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an einem Choroid-Plexus-Tumor, insbesondere einem Plexuskarzinom, zu erkranken. Aufgrund der Veranlagung für Tumoren werden solche genetisch bedingten Krankheitsbilder auch als Krebsprädispositionssyndrome bezeichnet. Häufig tritt die Erkrankung jedoch auf, ohne dass ein Zusammenhang mit einer erblichen Erkrankung erkennbar ist.

Abgesehen von erblichen Faktoren werden in den Zellen von Choroid-Plexus-Tumoren (vor allem Plexuskarzinomen) häufig Veränderungen bestimmter Gene oder Chromosomen beobachtet. Daraus resultierende Störungen der weiteren Zellentwicklung und Zellkommunikation können ursächlich daran beteiligt sein, dass aus einer gesunden Zelle eine Krebszelle wird. Generell werden solche im Tumorgewebe nachweisbaren Genveränderungen aber nicht vererbt und entstehen höchstwahrscheinlich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklung.

Symptome

Das Adergeflecht der Hirnventrikel hat unter anderem die Aufgabe, die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) zu bilden, welche Gehirn und Rückenmark vor Verletzungen schützt und mit Nährstoffen versorgt. Da Plexus choroideus-Tumoren aus diesem Gewebe hervorgehen, können auch sie diese Flüssigkeit bilden, und zwar, entsprechend ihres Volumens, in so großen Mengen, dass ein so genannter "Wasserkopf" (Hydrocephalus) entsteht. Letzterer kann auch durch den Tumor selbst verursacht werden, wenn dieser innerhalb der Hirnkammern die Liquorzirkulation und/oder den Liquorabfluss behindert.

Altersabhängig können infolge der erhöhten Liquorproduktion weitere Symptome auftreten:

  • Bei Babys und Kleinkindern mit noch offener Knochenlücke im Schädeldach (Fontanelle) kann es zu einem abnormen Kopfwachstum, einem so genannten Makrocephalus, kommen. Auch Wesensveränderungen, Gedeihstörungen, neurologische Symptome (zum Beispiel Kopfschiefhaltung, Einwärtsschielen) oder auch Symptome der Übererregbarkeit, wie schrilles Schreien ohne nachvollziehbaren Grund, können auf einen Hirntumor hinweisen.
  • Bei Kindern, deren Fontanelle bereits geschlossen ist, führen der Tumor und/oder das überschüssige Nervenwasser zu einem erhöhten Druck im Schädelinneren, der zum Beispiel mit Kopf- und/oder Rückenschmerzen, Schwindelgefühlen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen (bei einem Hirntumor typischerweise unabhängig von der Nahrungsaufnahme [Nüchternerbrechen] und oft morgens und im Liegen), Gewichtsverlust, zunehmender Müdigkeit, Leistungsknick, Konzentrationsstörungen und Wesensveränderungen einhergehen kann.

Je nachdem, wo der Tumor im Zentralnervensystem wächst und welche Aufgabenzentren er dort beeinträchtigt, können darüber hinaus „ortsspezifische“ Symptome beobachtet werden. So kann ein Tumor im Bereich des Großhirns oder Zwischenhirns zum Beispiel mit Lähmungserscheinungen oder Krampfanfällen einhergehen, während ein Tumor im Bereich von Kleinhirn oder Hirnstamm unter anderem Gleichgewichts- oder Bewegungsstörungen hervorrufen kann. Der untersuchende Arzt kann anhand solcher Symptome einen Hinweis auf die Lage des Tumors erhalten.

Gut zu wissen: Das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen muss nicht bedeuten, dass ein Choroid-Plexus-Tumor oder ein anderer Hirntumor vorliegt. Viele der genannten Symptome können auch bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auftreten, die mit einem Hirntumor nichts zu tun haben. Bei entsprechenden Beschwerden (zum Beispiel immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, bei kleinen Kindern auch bei einer unverhältnismäßig schnellen Zunahme des Kopfumfanges) ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren, um die Ursache zu klären. Liegt tatsächlich ein Hirntumor vor, muss schnellstmöglich mit der Therapie begonnen werden.

Diagnose

Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung Hinweise auf einen bösartigen Tumor des Zentralnervensystems, wird er den Patienten in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für pädiatrische Onkologie/Hämatologie). Denn bei Verdacht auf einen solchen Tumor sind umfangreiche Untersuchungen und die Zusammenarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen notwendig, um festzustellen, ob tatsächlich ein ZNS-Tumor vorliegt und, wenn ja, um welche Art von Tumor es sich handelt und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für eine optimale Behandlung und Prognose des Patienten.

Untersuchungen zur Diagnosesicherung

Zur Diagnosestellung eines Plexus choroideus-Tumors führen – nach erneuter sorgfältiger Anamnese und körperlicher sowie neurologischer Untersuchung – zunächst bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT). Mit Hilfe dieser Methoden lässt sich genau feststellen, ob ein Tumor des Zentralnervensystems vorliegt. Auch Lage und Größe des Tumors, seine Abgrenzung zu Nachbarstrukturen sowie möglicherweise vorliegende Metastasen im Gehirn oder Rückenmarkskanal sind sehr gut sichtbar.

Findet sich bei einem Säugling oder Kleinkind bei der MRT ein stark kontrastmittelangereicherter Tumor innerhalb der Hirnventrikel (die MRT erfolgt zu diesem Zweck mit einem Kontrastmittel), besteht Verdacht auf einen Choroidplexustumor. Die endgültige Sicherung der Diagnose ist nur durch die feingewebliche (histologische) Untersuchung einer Gewebeprobe möglich. Die Entnahme der Gewebeprobe erfolgt im Rahmen eines neurochirurgischen Eingriffes (Operation), der in der Regel auch der Tumorentfernung dient (siehe Kapitel „Behandlung“).

Untersuchungen zur Ausbreitung der Erkrankung

Bestätigt sich der Verdacht auf einen Plexus choroideus-Tumor, sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung der Erkrankung im Zentralnervensystem (das Krankheitsstadium) zu bestimmen. Dazu wird, abgesehen von einer MRT des gesamten Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), auch die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (der Liquor) auf Tumorzellen untersucht. Für die Liquorgewinnung erfolgt meist eine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbalpunktion). Dort ist der Raum, der das Nervenwasser enthält, am besten zu erreichen.

Untersuchungen vor Beginn der Behandlung

Behandlungsvorbereitend können weitere Untersuchungen hinzukommen, zum Beispiel eine Überprüfung der Herzfunktion mittels Elektrokardiographie (EKG) und/oder Echokardiographie. Umfangreiche Blutruntersuchungen dienen dazu, den Allgemeinzustand des Patienten zu überprüfen und festzustellen, ob die Funktionen einzelner Organe (zum Beispiel Nieren und Leber) beeinträchtigt sind oder Stoffwechselstörungen vorliegen, die vor oder während der Therapie besonders berücksichtigt werden müssen. Veränderungen, die möglicherweise im Laufe der Therapie auftreten, können anhand solcher Ausgangsbefunde und regelmäßiger Kontrolluntersuchungen zeitig erkannt und besser beurteilt werden.

Therapieplanung

Wenn die Diagnose feststeht, erfolgt die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf die Krankheitssituation und das Rückfallrisiko des Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (so genannte Risiko- oder Prognosefaktoren).

Der wichtigste Prognosefaktor ist die Art des Choroid-Plexus-Tumors, an der der Patient erkrankt ist. Sie gibt Auskunft über das voraussichtliche Wachstumsverhalten und somit die Bösartigkeit des Tumors (WHO-Grad, siehe Abschnitt „Krankheitsbild“) und hat daher einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Therapie als jeweils optimal angesehen wird. Auch der Nachweis eines Li-Fraumeni-Syndroms ist wichtig, da dieses sich insgesamt ungünstig auf die Prognose auswirken kann und auch andere Familienmitglieder betroffen sein können. Abgesehen davon gibt es in diesem Fall auch besondere Empfehlungen zur Weiterbehandlung und zur Nachsorge.

Weitere Prognosefaktoren sind die Lage, Größe und Ausbreitung des Tumors, das Ausmaß der Tumorentfernung im Rahmen einer Operation und das Ansprechen der Erkrankung auf eine Chemo- und/oder Strahlentherapie. Darüber hinaus spielen auch das Alter und der Gesundheitszustand des Patienten eine wichtige Rolle. Das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist unter anderem ausschlaggebend dafür, ob eine Strahlenbehandlung erfolgen kann oder nicht. Alle Faktoren fließen in die Behandlungsplanung ein mit dem Ziel, für jeden Patienten das jeweils bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen.

Behandlung

Die Behandlung eines Patienten mit Plexus choroideus-Tumor muss in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen. Ziel der Behandlung ist, eine hohe Heilungsrate zu erreichen und gleichzeitig die Nebenwirkungen und Spätfolgen so gering wie möglich zu halten.

Für Patienten mit einem Choroid-Plexus-Tumor stehen als Therapieverfahren die Operation sowie die Chemotherapie und, altersabhängig, die Strahlentherapie zur Verfügung.

Wichtige Anmerkung: Für Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor gibt es aktuell keine offene Therapiestudie. Die im Anschluss vorgestellten Therapieoptionen basieren auf den Erfahrungen und Ergebnissen der vorangegangenen Studie (siehe auch Kapitel „Therapieoptimierungsstudien und Register“), die innerhalb der Hirntumorgruppe der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (SIOP-E BTG) ausgewertet wurden. Es handelt sich um Empfehlungen der Studien-/Registerzentrale. Wie die Behandlung beim einzelnen Patienten genau abläuft, entscheidet der behandelnde Arzt im Gespräch mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen.

Operation

Der erste und wichtigste Schritt bei der Behandlung eines Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor ist die Operation. Sie zielt darauf ab, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen, denn das Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung [Neurochirurgie] beeinflusst den anschließenden Krankheitsverlauf: Je radikaler die Tumorentfernung, umso besser ist in der Regel die Überlebenschance. Aus diesem Grund kann gegebenenfalls nach der feingeweblichen Diagnose eine weitere Operation erwogen werden, um eventuell noch verbliebene Tumorreste zu entfernen.

Beobachtung oder nicht-chirurgische Weiterbehandlung

Im Anschluss an die Operation besteht, je nach Krankheitssituation, die Möglichkeit, den weiteren Krankheitsverlauf abwartend zu beobachten oder mit einer nicht-chirurgischen Therapie fortzufahren. Welche Option für sinnvoll erachtet wird, hängt von der Art des Tumors, dem Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose und vom Operationserfolg ab.

Beobachtung

Patienten mit einem nicht-metastasierten klassischen Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I) und Patienten mit vollständig operiertem atypischen Plexuspapillom (APP, WHO-Grad II) werden nach der Operation zunächst nicht weiter behandelt. Allerdings wird der Krankheitsverlauf der Patienten im Rahmen von Kontrolluntersuchungen (mittels Magnetresonanztomographie) weiter beobachtet. Eine erneute Behandlung erfolgt nur dann, wenn ein erneutes Tumorwachstum festgestellt wird. In vielen Fällen kann mit einer alleinigen Operation eine Heilung erzielt werden.

Nicht-chirurgische Weiterbehandlung

Bei Patienten mit einem metastasierten Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I), einem unvollständig entfernten atypischen Plexuspapillom (APP, WHO-Grad II) oder einem Plexuskarzinom (CPC, WHO-Grad III) reicht der chirurgische Eingriff nicht aus. Da das Risiko, dass der Tumor weiterwächst oder es zu einem Krankheitsrückfall kommt, sehr groß ist, schließt sich an die Operation eine nicht-chirurgische Behandlung, bestehend aus Chemotherapie, und wenn möglich Strahlentherapie, an.

Bei der Chemotherapie werden zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) verabreicht, die darauf abzielen, Krebszellen in ihrem Wachstum zu stoppen oder zu vernichten. Eine Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die betroffene Region eingestrahlt werden. Sie verursachen Schäden im Erbgut der Tumorzellen und führen dadurch zu deren Absterben. Statt der herkömmlichen Strahlentherapie kann auch eine Partikelbestrahlung mit Protonen (Protonentherapie) erfolgen, die noch zielgerichteter und schonender wirkt und daher eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Tumoren im Kindes- und Jugendalter gewinnt.

Die Entscheidung über die genaue Art der Therapie richtet sich insbesondere nach dem Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose sowie nach dem Tumortyp. Grundsätzlich erhalten alle Patienten, die nach der Operation einer weiteren Behandlung bedürfen, eine Chemotherapie. Patienten mit einem Plexuskarzinom oder einem metastasierten atypischen Plexuspapillom werden darüber hinaus auch bestrahlt, sofern sie über drei Jahre alt sind.

Chemotherapie

Die Chemotherapie besteht in der Regel aus einer Kombination verschiedener Zytostatika (Polychemotherapie), die in mehreren Therapiezyklen verabreicht werden. Standard bei Choroidplexustumoren ist derzeit eine Zytostatikakombination aus Carboplatin, Etoposid und Vincristin, die alle vier Wochen – insgesamt sechs Mal – als Infusion verabreicht wird. Je nach Krankheitssituation können sowohl weitere Blöcke als auch weitere Zytostatika hinzukommen; auch andere Zytostatikakombinationen sind möglich. Die Medikamente werden als Infusion in eine Vene verabreicht (so genannte systemische Chemotherapie).

In Ausnahmefällen kann auch eine intraventrikuläre Zytostatikagabe zum Einsatz kommen, also eine Medikamentengabe direkt in das Nervenwasser der Hirnventrikel. Für die intraventrikuläre Chemotherapie muss im Rahmen einer kurzen neurochiurgischen Operation ein so genanntes Ommaya-Reservoir unter die Kopfhaut implantiert werden, über das anschließend nicht nur die Medikamente verabreicht werden, sondern auch regelmäßig Nervenwasser für die Verlaufsuntersuchungen gewonnen wird.

Strahlentherapie

Alle Patienten ohne Li-Fraumeni-Syndrom, die ein Alter von drei Jahren erreicht haben und an einem Plexuskarzinom (mit oder ohne Metastasen) erkrankt sind, ist ergänzend zur Chemotherapie eine Strahlenbehandlung angezeigt. Sie erfolgt im Anschluss an die ersten beiden Chemotherapiezyklen. Nach der Bestrahlung wird die Chemotherapie fortgesetzt. Bei Patienten ohne Metastasen wird nur die Tumorregion bestrahlt (fokale Bestrahlung), bei Patienten mit metastasierter Erkrankung das gesamte Zentralnervensystem (kraniospinale Bestrahlung) plus die Tumorregion.

Bei Patienten mit einem Li-Fraumeni-Syndrom wird von der Strahlentherapie grundsätzlich abgeraten, gelegentlich kann aber eine fokale Bestrahlung mit Protonen (siehe oben) in Frage kommen.

Behandlungsbegleitende Untersuchungen: Während der Behandlung wird in regelmäßigen Abständen mittels bildgebender Verfahren (wie Ultraschall und/oder Magnetresonanztomographie) und gegebenenfalls Lumbalpunktion überprüft, wie die Erkrankung auf die Therapie anspricht. Auf diese Weise kann die Therapie stets an die jeweils aktuelle Krankheitssituation angepasst werden.

Therapieoptimierungsstudien und Register

Patienten mit einem Choroidplexustumor werden in Deutschland in der Regel im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien oder Registern behandelt. Therapieoptimierungsstudien sind kontrollierte klinische Studien, die das Ziel haben, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln.

Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in einem so genannten Register dokumentiert. Ein solches Register dient zunächst dazu, die Therapie der Patienten wissenschaftlich zu begleiten. Zur Sicherung der optimalen Behandlung verfasst die jeweilige Studiengruppe darüber hinaus in der Regel detaillierte Empfehlungen und berät die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der optimalen Therapie für den einzelnen Patienten.

In Deutschland ist 2010 eine langjährige internationale Therapieoptimierungsstudie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Choroidplexustumoren ausgelaufen: die Studie CPT-SIOP 2000. Derzeit gibt es für Plexustumorpatienten keine offene Studie. Alle neu erkrankten Patienten können jedoch in das internationale CPT-SIOP-Register gemeldet werden. Die Therapieempfehlungen der Registerzentrale basieren auf den Zwischenergebnissen der Studie CPT-SIOP 2000 sowie auf den regelmäßigen Auswertungen der Registerdaten. Diese zeigen, dass insbesondere Patienten mit Plexuskarzinomen nach der größtmöglichen Entfernung des Tumors von einer Chemotherapie und, altersabhängig, Strahlentherapie, profitieren können. Die Behandlung steht letztendlich jedoch im Ermessen des behandelnden Arztes. Die nationale Register- und Studienleitung für Deutschland befindet sich an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf unter der Leitung von PD Dr. med. Uwe Richard Kordes.

Prognose

Die Heilungsaussichten (Prognose) eines Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor hängen insbesondere von der Tumorart ab, an der er erkrankt ist. Bei bösartigen Tumorformen spielen darüber hinaus die Tumorbiologie, die Ausbreitung des Tumors, also das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Metastasen (Liquoraussaat), und die Durchführbarkeit einer Strahlentherapie eine Rolle.

Patienten mit einem klassischem Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I) haben in der Regel eine sehr günstige Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 100 %. Auch Patienten mit atypischen Plexuspapillomen (APP) haben gute Heilungsaussichten: Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate liegt – nach Angaben der CPT-SIOP Registerzentrale – bei etwa 95 %, wobei die Prognose für Kinder unter zwei Jahren etwas günstiger ist als die für Kinder über zwei Jahren (100 beziehungsweise 85 %).

Bei Patienten mit Plexuskarzinom liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nach einer Kombinationstherapie bei durchschnittlich etwa 60 %, ist aber sehr vom Erfolg der Operation und den Möglichkeiten der weiteren Krebstherapie abhängig. So haben zum Beispiel bestrahlte Patienten eine etwas bessere Prognose als unbestrahlte Patienten. Die Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsrückfalles ist bei Plexuskarzinompatienten jedoch relativ hoch. Nichtsdestotrotz gibt es eine ganze Reihe von Langzeitüberlebenden bei Patienten mit Plexuskarzinom, so dass die Diagnose nicht automatisch ein Todesurteil darstellt.

Anmerkung: Bei den genannten Überlebensraten handelt es sich um statistische Größen. Sie stellen nur für die Gesamtheit der an dieser Form der Hirntumoren erkrankten Patienten eine wichtige und zutreffende Aussage dar. Ob der einzelne Patient geheilt werden kann oder nicht, lässt sich aus der Statistik nicht vorhersagen.

Der Begriff Heilung muss hier vor allem als „Tumorfreiheit“ verstanden werden. Denn auch wenn die heute verfügbaren Therapiemethoden zu langfristiger Tumorfreiheit führen können, so können ein möglicherweise schädigendes Wachstum des Tumors und auch langfristige Nebenwirkungen der Therapie Spätschäden hervorrufen. Diese erfordern eine langfristige medizinische Betreuung, gegebenenfalls auch eine intensive Rehabilitation.

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