Unterstützende Behandlungsmaßnahmen (Supportivtherapie)

Autor: Dr. med. habil. Gesche Tallen, Maria Yiallouros, erstellt am: 23.03.2007, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 24.04.2020

Die Therapie eines Patienten mit hochmalignem Gliom erfordert, je nach Art der angewandten Behandlungsform (Operation, Chemotherapie oder Strahlentherapie) verschiedene unterstützende Maßnahmen (Supportivtherapie), die dazu beitragen, einerseits krankheitsbedingte Symptome und andererseits behandlungsbedingte Nebenwirkungen zu behandeln oder diesen vorzubeugen.

Der Tumor selbst kann aufgrund seiner Lage und Ausdehnung im Zentralnervensystem zu Begleiterscheinungen (zum Beispiel einem erhöhten Druck im Schädelinneren) führen, die noch vor oder während der eigentlichen Behandlung behoben werden müssen. In Fällen, in denen eine kurative Behandlung der Tumorerkrankung nicht möglich ist, kann die Supportivtherapie dazu dienen, Krankheitssymptome zu lindern und Lebensqualität zu erhalten. Nicht alle Komplikationen und Nebenwirkungen lassen sich aber tatsächlich immer beherrschen oder gar vermeiden.

Einige wichtige Supportivmaßnahmen, die speziell Patienten mit einem ZNS-Tumor betreffen, werden im Folgenden aufgeführt. Sie dienen vor allem der Linderung und Behandlung tumorbedingter Krankheitszeichen.

Informationen zur Supportivtherapie während und/oder nach einer Chemo- oder Strahlentherapie erhalten Sie hier. Tipps für Patienten und Angehörige im Umgang mit Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie finden Sie in unserem Text „Empfehlungen für zu Hause (während oder nach der Chemo- und Strahlentherapie)“. Die Empfehlungen zur Supportivtherapie richten sich immer auch nach den spezifischen Gegebenheiten vor Ort.

Maßnahmen zur Senkung des erhöhten Schädelinnendrucks

Bei vielen Patienten mit hochmalignem Gliom ist der Druck im Schädelinneren erhöht. Diese Drucksteigerung kann durch den Tumor selbst sowie durch das ihn umgebende Ödem oder auch durch Zirkulationsstörungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Hirnwasser, Liquor) verursacht sein und geht in der Regel mit verschiedenen typischen Symptomen einher (zum Beispiel Kopfschmerzen, Nüchternerbrechen, Schwindel, Kopfumfangzunahme, Sehstörungen).

Eine Steigerung des Schädelinnendrucks kann unter Umständen dazu führen, dass bestimmte Hirnanteile durch Verlagerung eingeklemmt werden (Einklemmungssyndrom). Ein erhöhter Schädelinnendruck kann daher bei Nichtbehandlung lebensgefährlich werden und zu irreversiblen Schädigungen des Hirngewebes führen. Aus diesem Grund müssen häufig noch vor der Behandlung, also vor Durchführung einer Operation zur Tumorentfernung, Maßnahmen zur Senkung des erhöhten Schädelinnendrucks ergriffen werden.

Je nachdem, wodurch die Druckerhöhung zustande gekommen ist (dies können die Spezialisten anhand der Krankengeschichte, der Krankheitszeichen und der bildgebenden Diagnostik herausfinden), werden unterschiedliche Methoden eingesetzt:

Medikamentöse Behandlung

Ist die Drucksteigerung im Gehirn vor allem durch ein den Tumor umgebendes Ödem verursacht, können Medikamente wie Dexamethason (Kortikosteroide) eingesetzt werden. Diese Medikamente bewirken ein Abklingen der örtlichen Schwellung und infolgedessen eine Druckminderung im Gehirn, die wiederum zu einer Linderung der Begleitsymptome führt. Die Medikamente können auch nach einer Operation eingesetzt werden, um der Bildung einer Schwellung infolge des operativen Eingriffs vorzubeugen.

Ableitung von Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) nach Operation

Bei Tumoren des Großhirns und des Zwischenhirns (supratentoriellen Tumoren), kann nach einem chirurgischen Eingriff eine große Operationshöhle verbleiben. In diese Operationshöhle kann vorbeugend ein Schlauchsystem (Katheter) implantiert werden, das mit einem unter der Kopfhaut angebrachten, kleinen Reservoir (Rickham-Reservoir oder Ommaya-Reservoir) verbunden ist.

Reservoir und Katheter verschaffen einen Zugang zur Operationshöhle und so die Möglichkeit, bei einer Steigerung des Schädelinnendrucks eine Druckentlastung durchzuführen. Über das Reservoir kann außerdem im Rahmen der Verlaufsdiagnostik Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) entnommen werden, zum Beispiel um diese auf Tumorzellen oder auch Immunzellen (während der Immuntherapie) zu überprüfen. Auch Medikamente können über das Reservoir direkt in die Operationshöhle verabreicht werden.

Externe Ventrikeldrainage

Führt ein Tumor durch Behinderung des Hirnwasserabflusses und Stauung des Hirnwassers (Wasserkopf, Hydrocephalus) zu einer starken Druckerhöhung im Gehirn, kann es unter Umständen notwendig sein, die überschüssige Gehirnflüssigkeit aus den Hirnwasserkammern (Hirnventrikel) nach außen abzuleiten (externe Ventrikeldrainage). Diese Maßnahme ist mit einem kleinen neurochirurgischen Eingriff verbunden, bei dem ein kleiner, weicher Kunststoffschlauch (Ventrikelkatheter) durch die Schädeldecke in einen der Hirnventrikeln gelegt wird. Aus diesem lässt man dann das Hirnwasser in einen Auffangbeutel ablaufen. Meist ist dem Auffangbeutel noch eine Apparatur vorgeschaltet, durch die über den Ventrikelkatheter der Druck im Gehirn gemessen und am Monitor angezeigt werden kann.

Die externe Ventrikeldrainage kann allerdings nur für eine bestimmte Zeit angelegt werden, da über den Katheter Keime eindringen und Infektionen verursachen können; sie dient also nur als Notfallmaßnahme. Für eine dauerhafte Ableitung des Hirnwassers muss ein so genannter ventrikulo-peritonealer Shunt angelegt werden (siehe unten).

Shunt-Implantation

Bei manchen Patienten ist zur Senkung des erhöhten Schädelinnendrucks eine dauerhafte Ableitung von überschüssiger Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) aus den Hirnwasserkammern (Hirnventrikel) erforderlich. Um eine solche längerfristige Drainage zu ermöglichen, wird der Neurochirurg einen so genannten Shunt implantieren. Es handelt sich dabei um einen dünnen, elastischen Kunststoffschlauch, der einen der Hirnventrikel (meist einen der beiden Seitenventrikel des Großhirns) mit der Bauchhöhle oder, seltener, mit einer Vene des Herzvorhofs verbindet (ventrikulo-peritonealer Shunt beziehungsweise ventrikulo-atrialer Shunt).

Der Schlauch verläuft kaum sichtbar zunächst unter der Kopfhaut hinter ein Ohr, wo ein kleines Ventil zwischengeschaltet ist. Dieses ist so programmiert, dass es sich ab einem bestimmten Druck in der Schädelhöhle öffnet und die Liquormenge hindurchfließen lässt, die zur Drucknormalisierung erforderlich ist. Manche Ventile sind auch von außen verstellbar. Da diese allerdings über einen magnetischen Mechanismus arbeiten, muss ihre Einstellung jeweils nach einer Magnetresonanztomographie (MRT) überprüft und gegebenenfalls (mit einem speziellen Apparat durch den Neurochirurgen) von außen korrigiert werden (eine Maßnahme, die schnell geht und nicht weh tut).

Vom Ventil aus führt – beim ventrikulo-peritonealen Shunt – ein weiterer kleiner, elastischer Schlauch unterhalb der Haut von Hals und Brustkorb in die Bauchhöhle zwischen die Darmschlingen hinein, wo das überschüssige Hirnwasser dann abgebaut wird. Beim ventrikulo-atrialen Shunt endet der Schlauch im Brustkorb; von dort wird der Liquor in eine der großen Venen vor dem Herzen abgeleitet.

Für die Implantation des Shunts ist ein neurochirurgischer Routine-Eingriff erforderlich. Er kann vor oder nach der Operation zur Tumorentfernung erfolgen. Shunts können kurzzeitig oder dauerhaft implantiert und jederzeit wieder entfernt werden. Der Neurochirurg wird Ihnen vor der Operation im Einzelnen erklären, warum eine Shunt-Operation notwendig ist und welche Vorteile sie bietet, welche Art des Ventils sich für Ihr Kind am besten eignet, wie es funktioniert und welche Risiken mit dem implantierten System einhergehen.

Ventrikulostomie

Die Ventrikulostomie kommt für manche Patienten mit einem Wasserkopf (Hydrocephalus) als Alternative zum ventrikulo-peritonealen beziehungsweise ventrikulo-atrialen Shuntsystem in Frage (siehe oben). Dabei wird im Rahmen eines neurochirurgischen Eingriffs mit dem Endoskop am Boden der dritten Hirnwasserkammer (III. Hirnventrikel) eine künstliche Verbindung in den Rückenmarkskanal geschaffen und somit die Ableitung von überschüssiger Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) ermöglicht.

Diese Methode kommt allerdings nur bei Formen des Hydrocephalus in Frage, bei denen der Liquor-Aufstau durch eine mechanische Abflussbehinderung verursacht wird (wie zum Beispiel beim Verschluss-Hydrocephalus). Und selbst dabei müssen gewisse Bedingungen hinsichtlich der Zirkulation vorliegen, damit der neue Abflussweg auch funktioniert. Ob bei Ihrem Kind (sofern eine Drainage notwendig ist) eher ein Shunt oder eine Ventrikulostomie helfen, wird der Neurochirurg ausführlich mit Ihnen besprechen.

Maßnahmen zur Unterstützung bei anderen tumorbedingten Krankheitszeichen

Der Tumor kann, abhängig von seiner Lage im Zentralnervensystem, auch zu neurologischen Ausfallerscheinungen führen (siehe Kapitel zu "Krankheitszeichen"). Diese machen ebenfalls individuelle unterstützende Maßnahmen erforderlich.

Die häufigsten Krankheitszeichen und Möglichkeiten ihrer Behandlung sind im Anschluss kurz aufgeführt:

Krampfanfälle (zum Beispiel bei hochmalignen Gliomen des Großhirns):

Lähmungen von Extremitäten (zum Beispiel bei Hirnstammgliomen):

  • auf den jeweiligen Lähmungstyp abgestimmte Krankengymnastik
  • orthopädische Hilfsmittel

Augenmuskellähmungen/Schielen/Doppelbilder (zum Beispiel bei hochmalignen Gliomen im Kleinhirn, hinteren Hirnstamm oder IV. Hirnventrikel [hintere Schädelgrube]:

  • "Augenklappe"
  • Augenmuskeloperation

Gleichgewichts-/ Koordinationsstörungen (zum Beispiel bei hochmalignen Gliomen im Hirnstamm oder in der hinteren Schädelgrube):

  • gezielte Krankengymnastik

Sprachstörungen (zum Beispiel bei Astrozytomen des Kleinhirns):

  • Sprachtherapie (Logopädie)

Hormonstörungen (zum Beispiel bei hochmalignen Gliomen im Bereich von Hypothalamus/Hypophyse im Zwischenhirn):

Bei der Aufnahmeuntersuchung des Patienten sowie allen weiteren körperlichen Untersuchungen, die vor, während und nach der Behandlung durchgeführt werden (siehe auch Kapitel zur "Erstdiagnose") sollen, unter anderem, möglicherweise vorliegende oder neu aufgetretene neurologische Störungen erkannt beziehungsweise die bekannten Ausfälle im Verlauf beurteilt werden. Ziel dabei ist es, so früh wie möglich mit den für den Patienten optimalen unterstützenden Maßnahmen zu beginnen. Allerdings sind sowohl die Möglichkeiten als auch der Erfolg dieser Maßnahmen immer abhängig von der individuellen Situation des Patienten, also beispielsweise von seinem Alter, von der Lage des Tumors und von der Dauer, die die Störung bereits ohne Behandlung bestanden hat.

Die oben erwähnten und noch zahlreiche weitere mögliche tumorbedingte Krankheitszeichen beziehungsweise deren Behandlung sind immer Bestandteil des interdisziplinären Therapiekonzepts, das heißt, die optimale Supportivtherapie für den Patienten wird im Team festgelegt (gemeinsam mit, zum Beispiel, den Augenärzten, Kinderendokrinologen, Kinderorthopäden und Krankengymnasten).

Überwachung der Hormonfunktion

Bei Patienten mit Tumoren der Sehbahn und des Zwischenhirns kann es sowohl durch den Tumor selbst als auch durch die Behandlung zu Störungen der Hormonfunktion kommen (siehe auch Informationen zu Aufbau und Funktion des Zentralnervensystems, Kapitel: "Das Zwischenhirn"). Aus diesem Grund erfolgen vor und insbesondere während der Behandlung regelmäßige Untersuchungen verschiedener Hormone (zum Beispiel Geschlechtshormone, Schilddrüsenhormone, Wachstumshormon), um Störungen einschätzen und im Bedarfsfall behandeln zu können (zum Beispiel durch die Gabe von Ersatzhormonen).

Behandlung eines Strahlenödems

Auch eine Bestrahlung kann, wie der Tumor selbst oder der operative Eingriff, eine vorübergehende Gewebeschwellung (Ödem) im Bestrahlungsgebiet erzeugen. Dies ist bei Patienten mit einem Hirntumor besonders ungünstig, weil dadurch starke Kopfschmerzen auftreten können. Durch die Behandlung mit bestimmten Medikamenten (Kortikosteroiden) bildet sich das Ödem in der Regel zurück.