Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)

Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Freigabe: Prof. Dr. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 26.08.2020

Der Begriff SAPV beschreibt eine umfassende, aktive Versorgung und Unterstützung von Patienten und ihren Familien auf körperlicher, seelischer, sozialer und geistiger Ebene. Ziel ist eine optimale Lebensqualität des Patienten und seiner Angehörigen in ihrer häuslichen Umgebung.

Wer hat Anspruch auf SAPV

Rechtmäßiger Anspruch eines gesetzlich Krankenversicherten auf SAPV besteht, wenn er an einer nicht heilbaren, fortschreitenden oder weit fortgeschrittenen Erkrankung leidet und gleichzeitig eine begrenzte Lebenserwartung hat.

Wann kann SAPV in Anspruch genommen werden?

Wenn die Versorgungsmöglichkeiten durch die Angehörigen zuhause ausgeschöpft sind, kann SAPV phasenweise und am Lebensende auch durchgängig in Anspruch genommen werden.

Wie läuft die SAPV ab?

  1. Verordnung durch den zuständigen niedergelassenen Kinderarzt
  2. Beginn nach dem gemeinsamen Hausbesuch vom spezialisierten Kinderarzt mit dem Palliativteam (s.u.)
  3. Erstellung eines Versorgungsplans in Absprache mit allen Betroffenen, den Eltern (Erziehungsberechtigten) und dem Patienten, soweit letzteres im Hinblick auf dessen Alter und Gesundheitszustand möglich ist.

Abhängig von den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen des Patienten und seiner Familie sowie in verschiedenen Erkrankungsphasen (siehe: Welche Bedürfnisse können die Betroffenen haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?) sind folgende Berufsgruppen unterschiedlich in die SAPV involviert:

  • Kinder- und Jugendarzt
  • ambulante Kinderkrankenpflegedienste (KKPD)
  • klinikgestützte, multiprofessionelle "Brückenteams"
  • ambulante Kinderhospizdienste
  • "Bunte Kreise"
  • sozialpädiatrische Zentren (SPZ).

Grundversorgung durch den Kinder- und Jugendarzt

In enger Zusammenarbeit mit dem Behandlungsteam der Klinik und dem spezialisierten Kinderpalliativteam (s.u.) ist der Kinderarzt in der Regel der erste Ansprechpartner für die ganze Familie und insbesondere zuständig für:

  • die Verordnung und Veranlassung der Palliativversorgung
  • regelmäßige Hausbesuche
  • familienunterstützende Versorgung
  • Steuerung und Verordnung von medikamentösen Behandlungen
  • Sicherstellung der ärztlichen Erreichbarkeit (tagsüber und nachts)
  • Betreuung von Eltern und Geschwistern auch nach dem Tod des Patienten (zum Beispiel frühzeitiges Erkennen von möglicherweise behandlungsbedürftigen, psychischen Auffälligkeiten in der Trauerphase).

Versorgung durch Kinderkrankenpflegedienste (KKPD)

Die ambulanten KKPD helfen seit Jahren bei der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen. Die Verordnung von ambulanter Kinderkrankenpflege erfolgt durch den Kinderarzt. Sie wird, je nach Pflegestufe, über die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung finanziert [Paragraph 37 des SGB V]. Die Patienten erhalten demnach:

  • häusliche Krankenpflege durch ausgebildete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werden kann
  • eine individuell angepasste Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung.

Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen in Abhängigkeit von der individuellen Situation. Bei begründeten Ausnahmen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege auch länger bewilligen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Versorgung durch ein multiprofessionelles, spezialisiertes Team (Kinder-Palliativteam, "Brückenteam")

Zu einem spezialisierten Kinder-Palliativteam gehört in der Regel ein in der Palliativmedizin spezialisierter Kinderarzt, ein ambulanter Kinderkrankenpflegedienst und Mitarbeiter aus dem psychosozialen Bereich. Das Team hilft in speziellen palliativmedizinischen Bedarfssituationen beispielsweise in der Klinik, in einem Hospiz oder in einer anderen Einrichtung der Kurzzeitpflege. Ebenso leistet das Team Unterstützung beim Übergang von der klinischen zur Versorgung zuhause (siehe: Wo können Kinder und Jugendlichen mit Krebserkrankungen in Deutschland palliativ versorgt werden?).

Solche Bedarfssituationen beziehungsweise Aufgaben des Kinder-Palliativteams sind zum Beispiel:

In der Kinderklinik

  • Beratung des Klinikteams zu speziellen Fragen bei Kindern und Jugendlichen in der Lebensendphase
  • Beratung der zuständigen ärzte bei Fragen zum Umgang mit speziellen Beschwerden (siehe: Welche Beschwerden können palliativ versorgte Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen haben und welche Behandlungen gibt es?)
  • Hilfestellung bei der Kommunikation innerhalb des Versorgungsteams sowie zwischen Versorgungsteam und Familie (zum Beispiel bei Therapieänderungen)
  • Festlegung des Pflegebedarfs und Beratung des Pflegeteams
  • Planung und Koordination von ärztlicher, pflegerischer, psychosozialer und seelsorgerlicher Versorgung und dadurch Knüpfen eines Versorgungsnetzwerks für die Familien.

Außerhalb der Klinik

  • Sicherstellung der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit eines Ansprechpartners für die Familien vor Ort (zum Beispiel Kinderarzt, ambulanter Kinderkrankenpflegedienst) für Notfall-, Feiertags- und Urlaubssituationen
  • Aufbau von Betreuungsgruppen für Eltern und Geschwister.

Die Finanzierung von Brückenteams ist in § 37b des Sozialgesetzbuches, Kapitel V (SGB V) über Spezialisierte ambulante Palliativversorgung geregelt.

Versorgung durch ambulante Kinderhospizdienste

Die Kinderhospizarbeit des Deutschen Kinderhospizvereins e. V. strebt eine ganzheitliche Begleitung von Patient und Familie durch praktische und emotionale Unterstützung im Alltag an. Außerdem bietet sie Hilfestellungen bei Kontakten von Betroffenen untereinander an oder veranstaltet regelmäßig Seminare, zum Beispiel zu sozialrechtlichen Fragen oder zum Thema Trauer.

Ambulante Kinderhospizdienste werden in der Regel durch hauptamtliche Koordinatoren geleitet. Diese müssen über eine gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation verfügen, damit der ambulante Hospizdienst auf eine finanzielle Unterstützung seitens der Krankenkassen zurückgreifen kann [§ 39a SGB V).

"Bunte Kreise"

Vor knapp 25 Jahren haben sich Mitarbeiter der Kinderklinik Augsburg, der dortigen Klinikseelsorge, ehemalige Betroffene und Vertreter bereits aktiver Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zusammengeschlossen und den "Bunten Kreis" gegründet. Mittlerweile existieren in Deutschland etwa 70 „Bunte Kreise“. Ziel dieser Initiativen ist es dabei zu helfen, den Übergang von der Krankenhausbehandlung in die ambulante Versorgung so fließend wie möglich zu gestalten. Dazu wird jeweils ein individuelles Betreuungsnetzwerk für die ganze Familie (sogenanntes "Case Management") aufgebaut. Es geht hierbei allerdings ausschließlich um Begleitung, Unterstützung und Vernetzung, nicht um die Steuerung oder Durchführung von Behandlungen. Das Versorgungsangebot der "Bunten Kreise" wird von den Krankenkassen finanziert. Für die betroffenen Familien entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)

Die SPZ in Deutschland sind spezialisierte Einrichtungen der ambulanten Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Für Betreuungen, Untersuchungen und Behandlungen in einem SPZ sind jeweils Überweisungen des Kinder- und Jugendarztes erforderlich.

Das charakteristische Vorgehen in einem SPZ ist fachübergreifend. Das heißt, dass sowohl medizinische als auch psychosoziale und schulische Angelegenheiten sowie die gesamte Familie miteinbezogen werden. Dies geschieht typischerweise in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, den Fördereinrichtungen und den Krankenkassen. Insgesamt gibt es derzeit mehr als 100 SPZ in Deutschland. Die inhaltlichen Schwerpunkte und Erfahrungsschätze der einzelnen Zentren variieren allerdings stark. Mehr Informationen zur Deutschen Gesellschaft für
Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. finden Sie hier: http://www.dgspj.de/