Kurative Strahlentherapie
Autor: Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 11.09.2019
Kurative Behandlungskonzepte haben das Ziel, den Patienten von seiner Erkrankung zu heilen und einem Erkrankungsrückfall vorzubeugen, also alle bösartigen Zellen vollständig und dauerhaft zu vernichten.
Dazu kann die Strahlentherapie wie folgt beitragen:
Strahlentherapie vor einer Operation
Strahlentherapie vor einer Operation (präoperative oder neoadjuvante Strahlentherapie): Bei manchen Patienten mit großen soliden Tumoren kann eine so genannte Vorbestrahlung, oft in Kombination mit einer Chemotherapie, den Behandlungserfolg verbessern. Mit Hilfe der Strahlentherapie vor der Operation kann erreicht werden, dass ein Tumor, der zum Zeitpunkt der Diagnose aufgrund seiner Größe nicht oder schwer operabel ist, sich so verkleinert, dass er ohne erhöhtes Risiko für den Patienten entfernt werden kann.
Strahlentherapie nach einer Operation
Strahlentherapie nach einer Operation (postoperative oder adjuvante Strahlentherapie): Bei vielen Kindern und Jugendlichen mit soliden Tumoren, insbesondere mit Tumoren des zentralen Nervensystems (ZNS-Tumoren) , erfolgt nach der operativen Tumorentfernung zusätzlich zur Chemotherapie eine Strahlentherapie (Radiochemotherapie). Dies geschieht vor allem dann, wenn der Tumor nicht vollständig entfernt werden konnte, zum Beispiel aufgrund seiner Nähe zu gesunden Nachbarorganen und dem Risiko, diese im Rahmen der Operation zu verletzen. Die Bestrahlung hat bei diesen Patienten das Ziel, das verbliebene Tumorgewebe vollständig zu vernichten.
Eine Bestrahlung nach einer Operation kann aber auch der Vorbeugung von Erkrankungsrückfällen dienen. Das heißt, dass die ehemalige Tumorregion nachbestrahlt wird, wenn aufgrund bestimmter histologischer und molekularbiologischer Eigenschaften des Tumors verbleibende bösartige Zellen befürchtet werden. Die Nachbestrahlung wird in diesem Fall durchgeführt, auch wenn der Operateur keinen Resttumor mehr sieht oder wenn die postoperative bildgebende Diagnostik keinen Hinweis auf einen Resttumor gibt. Dies betrifft besonders häufig Patienten mit einem Medulloblastom, dem häufigsten bösartigen ZNS-Tumor bei Kindern und Jugendlichen: Sofern die Patienten älter als drei Jahre sind, erhalten sie auch nach kompletter Tumorentfernung zusätzlich zur Chemotherapie eine Nachbestrahlung (so genannter „Boost“) der Tumorregion, des Gehirns und ebenfalls eine Bestrahlung des Rückenmarkskanals (so genannte „kraniospinale Bestrahlung“). Auf diese Weise sollen potenziell im Gehirn verbliebene und möglicherweise in den Spinalkanal abgetropfte Medulloblastomzellen (so genannte „Abtropfmetastasen“) vernichtet werden (siehe: „Bei welchen Krebserkrankungen ist eine Strahlentherapie angezeigt?“) [TIM2018a].
Wichtig zu wissen: Das Gehirn sehr junger Kinder (< 3 - 5 Jahre) ist besonders strahlenempfindlich, weil seine Gewebeentwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Entsprechend ist das Risiko für diese Patienten, später an strahlenbedingten Funktionsausfällen des Gehirns, Intelligenzminderungen und Entwicklungsstörungen zu leiden, größer als bei älteren Kindern. Deshalb erhalten jüngere Kinder in der Regel keine Strahlentherapie im Bereich des Zentralnervensystems (ZNS).
Strahlentherapie ohne Operation
Kinder und Jugendliche mit Blutkrebs (Leukämie) oder mit bestimmten Lymphomen erhalten in bestimmten Fällen ergänzend zur Chemotherapie auch eine Strahlentherapie des Gehirns. Denn Krebszellen, die sich dort möglicherweise angesiedelt haben, lassen sich durch eine alleinige Chemotherapie nicht immer ausreichend vernichten. Durch die Bestrahlung, die in der Regel mit Zytostatika-Gaben in den Spinalkanal (intrathekale Chemotherapie) kombiniert wird, sollen diese Zellen sicher beseitigt werden.
Ebenso werden auch manche Patienten mit bestimmten soliden Tumoren nicht operiert, sondern erhalten entweder eine alleinige Strahlentherapie oder eine Kombination von Chemo- und Strahlentherapie (Radiochemotherapie). Zu diesen Patienten gehören beispielsweise Kinder und Jugendliche mit kleinen Retinoblastomen, bei denen eine Augapfel-erhaltende Behandlungsstrategie erfolgen kann, sowie Patienten mit bestimmten Tumoren im Hirnstamm (Hochmaligne Gliome), die aufgrund ihrer Lage nicht operiert werden können (siehe Kapitel: „Bei welchen Krebserkrankungen ist eine Strahlentherapie angezeigt?“).