Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation
Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 08.01.2008, Zuletzt geändert: 04.05.2020
Inhaltsverzeichnis
- Wie und wann erfolgt eine Hochdosis-Chemotherapie?
- Wie werden die Stammzellen gewonnen?
- Wie erfolgreich ist die Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten mit Medulloblastom / embryonalem ZNS-Tumor?
- Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit einer Stammzelltransplantation verbunden und welche Maßnahmen werden zu ihrer Vorbeugung beziehungsweise Linderung ergriffen?
Basisliteratur
- Ebell W: Hämatopoetische Stammzelltransplantation. in: Gadner H, Gaedicke G, Niemeyer CH, Ritter J:. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie Springer-Verlag, 2006, 66 [ISBN: 3540037020]
- Klingebiel T: Knochenmark- und Stammzelltransplantation, in Gutjahr P: Krebs bei Kindern und Jugendlichen. Deutscher Ärzte-Verlag Köln 5. Aufl. 2004, 83 [ISBN: 3769104285]
Bei jüngeren Kindern (unter vier Jahren) mit einem embryonalen, nicht-rhabdoiden Tumor des Zentralnervensystems, einem Pineoblastom, einem metastasierten Medulloblastom oder einem Krankheitsrückfall eines Medulloblastoms kann eine Hochdosis-Chemotherapie erwogen werden, um die Überlebenschance der Patienten zu erhöhen.
Auch bei älteren Kindern (ab vier Jahren) mit einem embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor / Pineoblastom kann unter bestimmten Voraussetzungen eine solche Therapie in Frage kommen. Darüber hinaus kann diese Therapieform in Einzelfällen auch bei Patienten mit einem Rückfall eines Medulloblastoms oder embryonalen ZNS-Tumors eingesetzt werden.
Die verabreichte Zytostatikadosis ist bei dieser Therapie so hoch, dass auch widerstandsfähige Tumorzellen im Körper abgetötet werden.
Da die intensive Behandlung jedoch nicht nur die Krebszellen, sondern auch das blutbildende System im Knochenmark zerstört, werden dem Patienten vor der hoch dosierten Chemotherapie Stammzellen der Blutbildung (Blutstammzellen) aus Knochenmark oder Blut entnommen und nach Abschluss der Behandlung wieder übertragen (transplantiert). Fachleute sprechen auch von autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation (abgekürzt: autologe HSZT oder SZT).
Die Rückübertragung der Blutstammzellen erfolgt dabei durch eine Infusion in die Vene. Die Stammzellen wandern in die Markhöhlen der Knochen, siedeln sich dort an und beginnen, neue funktionstüchtige Blutzellen zu bilden. In der Regel dauert es durchschnittlich drei bis sechs Wochen, bis sich die Blutwerte erholt haben.
Wie und wann erfolgt eine Hochdosis-Chemotherapie?
Eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation erfordert einen hohen Aufwand an apparativer Ausrüstung und hoch qualifiziertes Personal. Da außerdem therapiebedingte Komplikationen nie ausgeschlossen werden können, soll diese Therapieform nur in Zentren durchgeführt werden, die Transplantationserfahrung haben. Dies ist fast ausschließlich an großen Kliniken der Fall, vor allem an Universitätskliniken und Tumorzentren.
Eine Hochdosis-Chemotherapie kommt prinzipiell nur bei bestimmten Patientengruppen mit Medulloblastom oder embryonalem, nicht-rhabdoidem ZNS-Tumor / Pineoblastom in Frage (siehe oben). Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung einer Hochdosis-Therapie ist darüber hinaus stets, dass der Patient gut bis sehr gut auf eine zuvor durchgeführte Standard-Chemotherapie (hier Induktions-Chemotherapie genannt) angesprochen hat.
Ob dies der Fall ist, wird daran gemessen, um wie viel ein Resttumor und/oder die Metastasen kleiner geworden sind. Im Grunde geht es darum, dass bereits vor Durchführung der Hochdosistherapie ein Großteil der bösartigen Zellen zerstört ist, also eine so genannte Remission vorliegt. Da es sich um eine belastende und sehr risikoreiche Behandlung handelt, sind auch das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten von Bedeutung.
Je nach Patientengruppe kann die Behandlung einmalig oder zweifach (so genannte Tandem-Hochdosis-Chemotherapie) durchgeführt werden, wobei jeweils unterschiedliche Medikamentenkombinationen verwendet werden. Gängige Zytostatika sind zum Beispiel Carboplatin (Carbo), Etoposid (VP16), Thiotepa, Cyclophosphamid (CP) und Methotrexat (MTX).
Nach Abschluss der Hochdosistherapie werden die zuvor entnommen Blutstammzellen zurückübertragen (autologe Stammzelltransplantation). Die Stammzellsammlung selbst wird in der Regel nach dem ersten Block der Induktionschemotherapie durchgeführt. Über die Durchführung einer Stammzellsammlung und Hochdosis-Chemotherapie werden Sie immer speziell von einem Experten der Stammzelltransplantation informiert.
Wie werden die Stammzellen gewonnen?
Die Stammzellen können entweder aus dem Knochenmark, dem Ort ihrer Entstehung, oder aus der Blutbahn gewonnen werden. Im ersten Fall nennt man das Verfahren ihrer Übertragung Knochenmarktransplantation, im zweiten Fall periphere Stammzelltransplantation. Bei Patienten mit Medulloblastom oder embryonalem ZNS-Tumor / Pineoblastom wird in der Regel die periphere Blutstammzelltransplantation durchgeführt. Die aus Knochenmark oder Blutbahn isolierten Stammzellen werden bis zum Zeitpunkt der Transplantation in speziellen Anlagen bei minus 196°C tiefgefroren ("Kryokonservierung") und in flüssigem Stickstoff gelagert.
Stammzellgewinnung aus dem Knochenmark
Bei der Knochenmarkentnahme wird dem Patienten nach vorheriger eingehender Untersuchung, etwa ein Liter Knochenmarkblut durch Punktionen an beiden Beckenknochen entnommen. Diese Menge ist notwendig, um eine ausreichende Zahl blutbildender Stammzellen für den Wiederaufbau der Blutbildung zu erhalten. Da die Entnahme mit Schmerzen verbunden ist, erfolgt sie unter Vollnarkose. Die roten Blutkörperchen werden dem Knochenmarkspender (hier dem Patienten) nach Abtrennung der Stammzellen zurück transfundiert, um den Blutverlust gering zu halten. Das entnommene Knochenmark bildet sich innerhalb von zwei Wochen wieder nach. Abgesehen vom allgemeinen Narkoserisiko ist die Knochenmarkentnahme ungefährlich.
Stammzellgewinnung aus dem Blut
Alternativ zur Knochenmarktransplantation findet heute zunehmend die Übertragung von Stammzellen statt, die aus dem Blutkreislauf des Patienten gewonnen werden; man spricht in diesem Fall auch von "peripherer Stammzelltransplantation". Denn: Stammzellen der Blutbildung finden sich nicht nur im Knochenmark, sondern auch im zirkulierenden Blut.
Allerdings sind Stammzellen im Blut unter normalen Bedingungen nur in geringen Mengen vorhanden. Daher wird dem Patienten vier bis fünf Tage vor der Stammzellentnahme täglich eine körpereigene Hormon-ähnliche Substanz, ein so genannter Wachstumsfaktor (zum Beispiel G-CSF) in die Haut gespritzt, der die Stammzellen dazu anregt, vermehrt aus dem Knochenmark in die Blutbahn überzutreten. Anschließend werden die Stammzellen mit Hilfe einer speziellen Zentrifugen-Einrichtung (Blutzell-Separator) aus dem Venenblut des Patienten gesammelt. Um genügend Stammzellen für eine erfolgreiche Transplantation zu erhalten, muss dieser Vorgang, die so genannte Stammzellapherese (oder auch Leukapherese), an einem oder auch zwei (aufeinanderfolgenden) Tagen über jeweils zwei bis vier Stunden durchgeführt werden.
Gegenüber der Knochenmarktransplantation hat diese Methode gewisse Vorteile: Die Entnahme der Stammzellen kann ohne Narkose erfolgen. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Blutbildung nach der Transplantation schneller wieder in Gang kommt. Die Phase akuter Infektionsgefahr ist dadurch verkürzt.
Wie erfolgreich ist die Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten mit Medulloblastom / embryonalem ZNS-Tumor?
Für Patienten mit embryonalem, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor (bisher ZNS-PNET) zeigt die Durchführung einer Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation an dafür spezialisierten Zentren vielversprechende Ergebnisse. Entsprechende Studien zeigen, dass 70 % der Patienten die Grunderkrankung und deren Behandlung (ohne ein Fortschreiten des Tumorwachstums beziehungsweise ohne Auftreten eines Krankheitsrückfalls) über einen Beobachtungszeitraum von vier Jahren überleben (4-Jahres-Überleben) [STR2001] [GUR2003].
Man nimmt an, dass – ähnlich wie beim Medulloblastom – die Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten mit bisher gutem Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie zu einer langfristigen Lebensverlängerung führen kann [BRO2004a].
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit einer Stammzelltransplantation verbunden und welche Maßnahmen werden zu ihrer Vorbeugung beziehungsweise Linderung ergriffen?
Eine Stammzelltransplantation ist für den Patienten eine sehr risikoreiche und belastende Behandlung. Sie geht mit zum Teil lebensbedrohlichen Komplikationen einher, an denen Patienten auch versterben können.
Risiken der Konditionierung (Chemotherapie)
Risiken ergeben sich zunächst durch die knochenmarkzerstörende Chemotherapie, die der eigentlichen Transplantation vorausgeht; sie bringt die Immunabwehr des Patienten fast gänzlich zum Erliegen. Vor allem in der Zeit unmittelbar nach der intensiven Therapie und bevor die übertragenen Stammzellen die Blutbildung wieder in Gang gesetzt haben, ist der Patient durch den Mangel an Abwehrzellen extrem infektionsgefährdet.
Zum Schutz vor Infektionen und Pilzerkrankungen erfolgt deshalb bereits vorbeugend eine Behandlung mit entsprechenden Medikamenten. Außerdem muss sich der Patient in der Zeit vor und nach der Transplantation in einer Sterileinheit aufhalten, zu der außer Ärzten und Pflegepersonal nur wenige Personen – vielfach sogar in Schutzkleidung und mit Mundschutz – Zutritt haben. Die fehlenden roten Blutzellen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) müssen, bis das transplantierte Knochenmark die Blutbildung übernimmt, durch Transfusion ersetzt werden.
Die Zeit, in der die Bildung von Blutzellen brach liegt, wird als "Aplasie"-Phase (Knochenmarkaplasie) bezeichnet. In der Regel beginnen die transplantierten Stammzellen mit einer Verzögerung von etwa 10 bis 20 Tagen mit der Produktion von Blutzellen. Sobald ausreichend weiße Blutzellen vorhanden sind, kann die Isolation aufgehoben werden. Dies ist durchschnittlich etwa vier Wochen nach dem Tag der Transplantation der Fall.
Risiken der Transplantation
Auch die Transplantation selbst kann mit verschiedenen Komplikationen verbunden sein. So besteht zum Beispiel immer die (geringe) Gefahr, dass das transplantierte Knochenmark nicht „anwächst“. Eine Stammzelltransplantation ist außerdem mit verschiedenen Spätfolgen verbunden, die vor allem auf die hoch dosierte Chemotherapie und anschließend Strahlentherapie zurückzuführen sind. Informationen hierzu finden Sie im Kapitel "Spätfolgen".
Trotz dieser möglichen Nebenwirkungen darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Stammzelltransplantation in manchen Fällen die einzige Chance ist, die Überlebenschancen eines Patienten mit Medulloblastom, embryonalem, nicht-rhabdoidem ZNS-Tumor oder Pineoblastom zu verbessern.
Ausführliche Informationen zur Stammzelltransplantation erhalten Sie hier.