Operation und Therapiemöglichkeiten im Anschluss

Autor: Dr. med. habil. Gesche Tallen, Maria Yiallouros, erstellt am: 08.01.2008, Zuletzt geändert: 19.11.2020

Die sofortige Operation mit Entfernung des Tumors (Tumorresektion) ist bei Patienten mit einem Medulloblastom oder embryonalen, nicht-rhabdoiden ZNS-Tumor / Pineoblastom von entscheidender Bedeutung. Denn meist sind diese Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose durch den Tumor und eine tumorbedingte Abflussstörung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (die zu einem Wasserkopf führen kann) lebensgefährlich bedroht.

Das Ziel ist, den Tumor operationsmikroskopisch vollständig zu entfernen (vollständige Resektion). Das bedeutet, dass am Ende der Operation mit dem Operationsmikroskop kein Resttumor mehr zu erkennen ist.

Der Neurochirurg arbeitet heutzutage mikrochirurgisch, das heißt mit einem Operationsmikroskop und entsprechend starker Vergrößerung sowie mit speziellen Instrumenten und besonderem Nahtmaterial, so dass feinste Gehirnstrukturen schonungsvoll bearbeitet werden können. Allerdings verbietet die Lage des Tumors und seine Beziehung zu, beispielsweise, wichtigen Hirnnervengebieten oder Leitungsbahnen oftmals ein "aggressives" neurochirurgisches Vorgehen, das heißt ein Vorgehen, bei dem es in erster Linie darum geht, viel Gewebe zu entfernen. Denn schwere bleibende neurologische Schäden sollen vermieden werden. Darüber hinaus ist eine im onkologischen Sinne "radikale Operation" (damit ist eine "Tumorentfernung im Gesunden" gemeint) bei Tumoren des Zentralnervensystems nicht möglich, da gesundes Gehirngewebe nicht entfernt werden darf.

Nach einer neurochirurgischen Operation, bei der innerhalb von Gehirnstrukturen operiert wurde (intracerebraler Eingriff), oft aber auch nach Eingriff am Rückenmark, wird der Patient auf einer Intensivstation weiterbehandelt und überwacht, bis sich sein Zustand stabilisiert hat. In den großen Behandlungszentren sind das Intensivstationen, die unter anderem ganz speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nach intracerebralen Eingriffen eingestellt sind.

Gut zu wissen: Im Rahmen eines ausführlichen Aufklärungsgespräches wird Ihnen der Neurochirurg die operativen Möglichkeiten erläutern, die für Ihr Kind in Frage kommen. Außerdem spricht er mögliche Komplikationen und/oder Nachwirkungen der neurochirurgischen Operation an und erklärt die Gründe, aus denen operiert werden muss sowie die geplante Vorgehensweise bei der Operation.

Patienten mit Medulloblastom

Bei Patienten mit einem Medulloblastom ist, dank moderner Operationstechniken (Neurochirurgie), die schonende und dennoch vollständige Entfernung des Tumors mittlerweile in über der Hälfte der Fälle möglich. Wenn sich der Tumor zu Beginn der Behandlung ohne Gefährdung wichtiger Hirnstrukturen nicht vollständig entfernen lässt, kann dies eventuell zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Zweitoperation versucht werden (siehe auch unten).

Durch die Tumorentfernung können bei der Mehrzahangl der Patienten auch eventuell bestehende Abflussstörungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit behoben werden. Liegt ein Wasserkopf (Hydrocephalus) vor, ist unter Umständen bereits vor der eigentlichen Tumoroperation ein operativer Eingriff notwendig, um den Liquorfluss zu normalisieren. Bei manchen Patienten muss auch ein dauerhaftes Drainagesystem (ventrikulo-peritonealer Shunt) angelegt werden (siehe auch Kapitel "Supportivtherapie").

Anmerkung: Nach der Entfernung eines Medulloblastoms kommt es regelmäßig, zum Beispiel aufgrund einer vorübergehenden Reizung entsprechender Hirnnerven oder Hirnstammbereiche, zu (meist vorübergehenden) Atemantriebs- und Schluckstörungen. Auch werden nach einer Operation im Bereich des Kleinhirns häufig (in unterschiedlicher Ausprägung) mutistische Verhaltensweisen bei den Patienten beobachtet. Dieses Phänomen wird auch "Syndrom der hinteren Schädelgrube" genannt und ist bisher immer als eine vorübergehende Störung beobachtet worden.

Patienten mit embryonalem ZNS-Tumor / Pineoblastom

Im Vergleich zum Medulloblastom kann ein embryonaler, nicht-rhabdoider ZNS-Tumor oder Pineoblastom trotz mikrochirurgischer Techniken selten komplett entfernt werden. Das liegt meist daran, dass es sich in der Regel um große, relativ stark durchblutete Tumoren handelt, die regelmäßig in die umgebenden Gehirnstrukturen – meist Großhirnbereiche mit wichtigen Funktionen – hineinwachsen. Aus diesem Grund besteht bei Patienten mit einem embryonalen ZNS-Tumor / Pineoblastom das Hauptziel der neurochirurgischen Operation darin, zu entlasten. Das heißt, es soll so viel Tumorgewebe entfernt werden, dass das Gehirn nicht mehr länger durch die raumfordernde Wirkung des Tumors geschädigt wird, aber auch nicht durch den operativen Eingriff.

Möglichkeit / Notwendigkeit einer Zweitoperation

Wenn nach der Operation, nach Ende der Bestrahlung oder im Anschluss an die ersten Chemotherapiezyklen durch bildgebende Verfahren noch Tumorreste nachweisbar sind, bespricht das Behandlungsteam zusammen mit den Neurochirurgen die Möglichkeit einer Zweitoperation. Trotz der Dringlichkeit der weiteren Tumorentfernung darf die Zweitoperation das Kind jedoch nicht gefährden.

Therapiemöglichkeiten nach der Operation

Da Medulloblastome, embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren und das Pineoblastom infiltrativ in benachbartes Gewebe hineinwachsen und zudem oft über das Liquorsystem in andere Bereiche des Zentralnervensystems streuen, reicht die Behandlung des sichtbaren Tumors in der Regel nicht aus, um den Patienten zu heilen. Das gilt auch dann, wenn der Tumor operationsmikroskopisch komplett entfernt werden konnte. An die Operation schließt sich daher eine nicht-chirurgische Therapie an.

Diese Behandlung beinhaltet einerseits bestimmte Formen der Strahlentherapie von Gehirn und Rückenmark sowie andererseits eine Chemotherapie mit verschiedenen Substanzen (Kombinationschemotherapie). Bei manchen Patienten kann auch eine Hochdosis-Chemotherapie in Frage kommen, an die sich eine autologe Stammzelltransplantation anschließt.

Informationen zu Strahlen- und Chemotherapie sowie zur Stammzelltransplantation finden Sie im Anschluss.