Tumoren der Speicheldrüsen

Autor: Prof. Dr. med. Dominik T. Schneider, Dr. med. Ines Brecht, erstellt am: 23.05.2016, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 20.02.2019

In den Speicheldrüsen können sich sowohl gutartige als auch bösartige Tumoren entwickeln. Dies kommt allerdings sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sehr selten vor. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa zehn Kinder und Jugendliche an einem solchen Tumor.

Aus diesem Grund gibt es nicht wie bei anderen Tumoren des Kindes- und Jugendalters Therapiestudien, in denen die beste Therapiestrategie an vielen Patienten geprüft worden ist. Die Experten des Registers für Seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie (STEP) haben jedoch mit den folgenden Informationen die Erfahrungen zusammengefasst, die sie selbst sowie internationale Forschergruppen gewonnen haben.

Jedes Kind ist aber anders und es ist wichtig, die Therapie individuell auf jeden einzelnen Patienten auszurichten. Daher bietet STEP Ihnen eine kostenfreie Beratung an. Gerne kann sich Ihr behandelnder Arzt oder Sie selbst direkt an die Experten von STEP wenden: unter step@klinikumdo.de. Durch die Meldung an das STEP-Register können Sie außerdem helfen, die Erfahrung bei diesen seltenen Tumoren zu erweitern. Damit helfen Sie anderen Kindern, die in Zukunft an einer solchen Erkrankung leiden.

Einführung zu den Speicheldrüsen

Die Speicheldrüsen liegen im Bereich des Unterkiefers. Ihre Aufgabe ist die Bildung des Speichels. Dieser befeuchtet die Nahrung während des Kauvorganges und macht sie dadurch gleitfähig. Im Speichel enthaltene Enzyme (so genannte Amylasen) verdauen stärkehaltige Nahrung auch etwas vor. Darüber hinaus enthält die Speichelflüssigkeit eine antibakteriell wirksame Substanz, die zur Inaktivierung von Erregern beiträgt.

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(© Martha Kosthorst - Fotolia.com)

Es gibt es drei große, jeweils paarig angelegte Speicheldrüsen.

Die größten Speicheldrüsen sind die beiden vor den Ohren gelegenen Ohrspeicheldrüsen (Glandulae parotidea, oder kurz, Parotis). Sie werden jeweils vom Gesichtsnerv (Nervus facialis) durchzogen, der die Gesichtsmuskulatur versorgt und damit die Mimik steuert.

Darüber hinaus gibt es die beiden Unterkieferspeicheldrüsen (Glandulae submandibularis) und die Unterzungenspeicheldrüsen (Glandulae sublingualis).

Krankheitsbild: Was ist ein Speicheldrüsentumor?

Speicheldrüsentumoren gehen aus dem Gewebe der Speicheldrüsen hervor. Die meisten Tumoren finden sich in der Ohrspeicheldrüse (Glandula parotidea), aber auch die anderen Speicheldrüsen können betroffen sein.

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Tumoren in diesem Bereich. Gut- und bösartige Tumoren kommen gleich häufig vor.

Der häufigste gutartige (benigne) Speicheldrüsentumor ist das pleomorphe Adenom. Der häufigste bösartige (maligne) Tumor bei Kindern und Jugendlichen ist das so genannte Mukoepidermoidkarzinom, gefolgt vom Azinuszellkarzinom. Diese Tumoren verhalten sich weniger aggressiv als andere Karzinome, wie sie meist bei erwachsenen Patienten auftreten. Das bedeutet, dass sie langsamer wachsen und seltener Absiedelungen (Metastasen) in den Lymphknoten oder anderen Organen bilden.

Ursachen: Wodurch entsteht ein Tumor der Speicheldrüsen?

Die genaue Ursache für die Entwicklung eines Speicheldrüsentumors ist nicht bekannt. Die meisten Tumoren treten „spontan“ auf. Das heißt, es gibt keine familiären genetischen Risiken. Bei den meisten Kindern sind – anders als bei Erwachsenen – auch keine anderen Risikofaktoren bekannt.

Man weiß allerdings, dass das Risiko für diese Tumoren erhöht ist, wenn im Kindes- und Jugendalter eine Bestrahlung in diesem Bereich durchgeführt werden musste, in der Regel wegen eines anderen bösartigen Tumors. Vereinzelt wurden Speicheldrüsentumoren auch nach einer Chemotherapie im Rahmen einer Leukämie-Behandlung beobachtet.

Symptome: Welche Krankheitszeichen gibt es?

Patienten mit einem Tumor der Speicheldrüse verspüren oft lange Zeit keinerlei Beschwerden. Erstes Anzeichen für die Erkrankung sind meist sicht- und tastbare Schwellungen, die in der Regel nicht schmerzhaft sind. Bei einzelnen Kindern kann die Mimik gestört sein. Dann ist zum Beispiel das Lächeln etwas „schief“ oder die Sprache undeutlich. Das deutet auf eine Schädigung des Gesichtsnervs durch den Tumor hin.

Folgende Krankheitszeichen Symptom können, vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung, auftreten:

  • Schwellung
  • Minderung des Speichelflusses, Mundtrockenheit
  • Schmerzen, Missempfindungen
  • Einseitige Lähmung der Gesichtsmuskulatur

Diagnose: Welche Untersuchungen werden durchgeführt?

Zu Beginn wird der (Kinder-)Arzt zunächst die Krankheitsgeschichte (Anamnese) erfragen und eine körperliche Untersuchung vornehmen. Laborwerte im Blut, die einen direkten Hinweis auf einen Tumor der Speicheldrüsen geben könnten, gibt es nicht. Wenn der Tastbefund und/oder die Krankheitszeichen einen Tumorverdacht im Bereich der Speicheldrüsen ergeben, kann mit Hilfe von bildgebenden Verfahren überprüft werden, ob tatsächlich ein Tumor vorliegt:

Mittels Ultraschall (Sonographie), Magnetresonanztomographie (MRT, Schichtaufnahme des Körpers mit Hilfe von Magnetfeldern) oder Computertomographie (CT, Schichtaufnahme des Körpers mittels Röntgenstrahlen) lassen sich die genaue Lage eines Tumors, seine Größe und Ausbreitung sowie das Wachstumsmuster feststellen. Bei Kindern und Jugendlichen wird man immer versuchen, auf Untersuchungen mit Röntgenstrahlung zu verzichten, so dass vor allem die Sonographie und die Magnetresonanztomographie zum Einsatz kommen.

Die Entnahme einer Gewebeprobe ist nicht zwingend erforderlich, da ohnehin zum Beginn der Therapie eine operative Entfernung des Tumors erfolgt.

Therapie: Wie erfolgt die Behandlung?

Die Behandlung eines Patienten mit Speicheldrüsentumor sollte in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut.

Die Therapie besteht in erster Linie aus einer Operation zur Entfernung des Tumors, in manchen Fällen erfolgt im Anschluss eine Strahlentherapie. Äußerst selten wird eine Chemotherapie eingesetzt.

Chirurgische Therapie

Der entscheidende therapeutische Schritt ist die vollständige Entfernung des Tumors. Da es bei verbleibenden Tumorresten häufig zu einem erneuten Auftreten der Erkrankung (Rezidiv) kommen kann, sollte nach Möglichkeit mit einem Sicherheitsabstand operiert werden. Das bedeutet, dass nicht nur der Tumor selbst, sondern ein angemessener Teil des angrenzenden gesunden Gewebes herausgeschnitten werden muss. Am sichersten ist es, wenn die betroffene Speicheldrüse oder der befallene Drüsenlappen komplett entfernt wird.

Befindet sich der Tumor in der Ohrspeicheldrüse, muss allerdings der Gesichtsnerv geschont werden, damit es durch die Operation nicht zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur kommt. Diese Operation kann besonders bei größeren Tumoren kompliziert sein. Daher sollte eine Tumorentfernung immer in der Hand eines erfahrenen HNO-Chirurgen liegen, der auch Erfahrung in der Behandlung dieser Tumoren hat.

Bei einem Befall von Lymphknoten muss die Operation um die Entfernung der betroffenen Lymphknoten und des umgebenden Gewebes erweitert werden. Diesen Eingriff bezeichnet man als „Neck Dissection“ (übersetzt: Halsdissektion).

Weitere Therapie

Bei gutartigen Tumoren (Adenomen) ist nach der Operation keine weitere Behandlung erforderlich. Auch bei den meisten bösartigen Speicheldrüsentumoren, die im Kindes- und Jugendalter auftreten, ist die Behandlung nach einer vollständigen operativen Entfernung abgeschlossen. Wenn eine komplette Tumorentfernung nicht möglich war oder wenn Metastasen vorliegen, muss über eine ergänzende Therapie entschieden werden. Grundsätzlich kommen eine Chemo- oder eine Strahlentherapie in Frage.

Bei lokal begrenzten Tumoren ist die Strahlentherapie wirksamer. Zu achten ist aber auf die langfristigen Risiken einer Strahlentherapie. Nach aktueller Datenlage scheinen Kinder und Jugendliche häufiger Komplikationen nach einer Bestrahlung zu entwickeln als Erwachsene (zum Beispiel Wachstumsstörung des Gesichtes, Zweitkrebserkrankungen). Eine Bestrahlung sollte deshalb nur bei sorgfältig ausgewählten Patienten erfolgen, also zum Beispiel dann, wenn der Tumor nicht ausreichend operativ entfernt werden konnte oder wenn eine aggressive Form des Tumors vorliegt.

Nur in extrem wenigen Fällen ist bei Kindern oder Jugendlichen mit Speicheldrüsentumoren eine Chemotherapie notwendig. Diese wird dann in der Regel mit der Strahlentherapie kombiniert.

Hinweis: Bitte lassen Sie sich vorher beraten, gerne auch über das STEP Register (step@klinikumdo.de).

Prognose: Wie sind die Heilungschancen?

Kinder und Jugendliche mit Speicheldrüsentumoren haben in der Regel eine gute Prognose. Die meisten Patienten dieser Altersgruppe werden komplett gesund. Die Prognose hängt dabei ganz wesentlich vom Tumortyp und vom Erfolg der Operation ab. Eine vollständige Tumorentfernung hat in der Regel günstigere Heilungschancen als eine unvollständige.

Gut zu wissen ist, dass es auch bei gutartigen Tumoren zu Rückfallen kommen kann, wenn keine vollständige Tumorentfernung möglich war. In diesem Fall kann an gleicher Stelle erneut ein gutartiger Tumor auftreten. Andererseits sind bösartige Tumoren, also Speicheldrüsenkarzinome, im Kindes- und Jugendalter meist wenig bösartig (niedrigmaligne). Dieses bedeutet, dass diese Tumoren nur sehr selten metastasieren und auch lokal weniger aggressiv wachsen.

Das STEP-Register hat die Daten der an das Register gemeldeten Patienten ausgewertet. Bei circa 10 % der Kinder und Jugendlichen ist es zu einem lokalen Rezidiv in der Speicheldrüse oder der Umgebung gekommen, das dann wieder operativ behandelt worden ist. Nur extrem seltene, sehr aggressive Varianten wie das NUT-Mittellinienkarzinom nehmen einen bösartigen Verlauf. Daher muss bei dieser Tumorform von Anfang an eine sehr intensive Therapie gewählt werden.

Bei Patienten mit einem Tumor der Ohrspeicheldrüse kann es als Therapiekomplikation nach einer Operation zu einer Verletzung des Gesichtsnervs (Nervus facialis) und infolgedessen zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur kommen. Dies geschieht in etwa 8 % der Fälle.

Literatur

  1. Schneider DT, Brecht IB: Das STEP-Register für seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie - It's networking – or not working. WiR - die Zeitschrift der Deutschen Leukämie-Forschungshilfe e.V. und der Deutschen Kinderkrebsstiftung 3/2018 [URI: www.kinderkrebsstiftung.de] SCH2018a
  2. Schneider DT, Brecht IB, Olson ThA, Ferrari A (Eds): Rare Tumors In Children and Adolescents. Series: Pediatric Oncology, Springer-Verlag 2012 [ISBN: 978-3-642-04196-9] SCH2012
  3. Bisogno G, Ferrari A, Bien E, Brecht IB, Brennan B, Cecchetto G, Godzinski J, Orbach D, Reguerre Y, Stachowicz-Stencel T, Schneider DT: Rare Cancers in Children - The EXPeRT Initiative: A Report from the European Cooperative Study Group on Pediatric Rare Tumors. Klin Pädiatr 2012, 224: 416 [PMID: 23143769] BIS2012
  4. Schneider DT, Brecht I: Ein Netzwerk für besonders seltene Tumoren. WIR 2010, 3/10, 18 [URI: www.kinderkrebsstiftung.de] SCH2010f
  5. Brecht IB, Graf N, Schweinitz D, Frühwald MC, Bielack SS, Schneider DT: Networking for children and adolescents with very rare tumors: foundation of the GPOH Pediatric Rare Tumor Group. Klinische Padiatrie 2009, 221: 181 [PMID: 19437371] BRE2009