Unterstützende Behandlungsmaßnahmen (Supportivtherapie)
Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 14.04.2008, Zuletzt geändert: 15.02.2021
Inhaltsverzeichnis
Die intensive Chemotherapie, die für eine erfolgreiche Behandlung von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) notwendig ist, erfordert verschiedene unterstützende Behandlungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen – die auch unter dem Begriff Supportivtherapie zusammengefasst werden – tragen dazu bei, behandlungsbedingte Nebenwirkungen (sowie auch Folgen der Krankheit selbst) zu behandeln oder diesen vorzubeugen. Nicht alle Komplikationen und Nebenwirkungen lassen sich aber tatsächlich immer beherrschen oder gar vermeiden.
Einige wichtige Supportivmaßnahmen, die speziell Patienten mit AML betreffen, werden im Folgenden aufgeführt. Ausführliche Informationen zur Supportivtherapie während und/oder nach einer Chemo- oder Strahlentherapie erhalten Sie hier. Tipps für Patienten und Angehörige im Umgang mit Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie finden Sie in unserem Text „Empfehlungen für zu Hause (während oder nach der Chemo- und Strahlentherapie)“. Die Empfehlungen zur Supportivtherapie richten sich immer auch nach den spezifischen Gegebenheiten vor Ort.
Ersatz von Blutbestandteilen
Bei AML-Patienten kommt es sowohl infolge der Erkrankung als auch durch die Knochenmark-schädigende Wirkung der Zytostatika fast immer zu einem Mangel an roten Blutzellen (Anämie) oder Blutplättchen (Thrombozytopenie). Bei fast allen Patienten müssen die fehlenden Blutzellen durch eine Übertragung (Transfusion) entsprechender Blutzellkonzentrate ersetzt werden. Mehr dazu finden Sie hier.
Maßnahmen bei Hyperleukozytose
Etwa 20 % der Kinder und Jugendlichen mit AML sind zum Zeitpunkt der Diagnose von hohen Leukämiezellzahlen (mehr als 100.000 Leukozyten pro Mikroliter Blut, einer so genannten Hyperleukozytose betroffen. Bei diesen Patienten werden vor und während der Chemotherapie spezielle Vorsichtsmaßnahmen notwendig, um schwere Blutungen sowie andere Komplikationen, zum Beispiel eine Leukostase zu vermeiden. Unter Leukostase versteht man eine Anhäufung von Leukämiezellen in den Blutgefäßen, zum Beispiel in den Lungenkapillaren, die zu kleinen Blutgerinnseln (Mikrothromben) und einer Embolie führen können.
Ein besonders hohes Risiko für Blutung und/oder Leukostase haben Patienten mit einer AML vom Subtyp FAB M4 oder M5. Zur Vermeidung von Komplikationen kann eine Austauschtransfusion oder eine Leukapherese erfolgen. Im ersten Fall wird das Blut des Patienten durch das Blut eines Spenders ersetzt, im zweiten Fall werden die Leukämiezellen in einer Art "Blutwäsche" aus dem Blut herausgefiltert. [CRE2018] [CRE2015] [CRE2012a]
Eine Hyperleukozytose ist auch mit einem erhöhten Risiko für ein so genanntes Tumorlyse-Syndrom verbunden, das durch das therapiebedingte Absterben der Leukämiezellen verursacht wird und zum Beispiel zu einer Hyperurikämie führen kann (siehe dazu Folgeabschnitt siehe auch Abschnitt: „Maßnahmen gegen eine Schädigung der Nieren“).
Maßnahmen gegen eine Schädigung der Nieren durch Tumorlyse-Syndrom
Durch die Chemotherapie kommt es zu einem erhöhten Absterben und Zerfall von Leukämiezellen, man spricht in diesem Fall auch von einem akuten Zellzerfall-Syndrom oder Tumorlyse-Syndrom). Die Gefahr eines solchen Tumorlyse-Syndroms ist umso höher, je höher die Zahl der weißen Blutzellen (Leukozyten) zum Zeitpunkt der Diagnose ist; sie ist daher besonders hoch bei Patienten mit einer so genannten Hyperleukozytose (siehe vorheriges Kapitel).
Beim Absterben von Leukämiezellen entstehen Abbauprodukte von Zellen, die über bestimmte Stoffwechselwege weiter abgebaut und über die Nieren ausgeschieden werden müssen. Diese Stoffwechselwege können durch die Überhandnahme der Stoffwechselprodukte überfordert werden. Das gilt vor allem für einen Stoffwechselweg, bei dem als Endprodukt Harnsäure entsteht. Nimmt die Harnsäure überhand (Hyperurikämie), kann sie sich in Form von Kristallen in den Nierenkanälchen absetzen und auf diese Weise die Nieren erheblich schädigen. Ein lebensbedrohliches Nierenversagen kann die Folge sein. Durch eine abbaubedingte erhöhte Freisetzung von Kalium (Hyperkaliämie) kann darüber hinaus das Herz akut gefährdet sein.
Um Komplikationen zu vermeiden, werden dem Patienten daher meist in der Anfangstherapie über Infusionen große Mengen Flüssigkeit zugeführt (so genannte Wässerung oder Hydrierung). Die Infusionslösung enthält auch Bestandteile, die den Säuerungsgrad des Blutes verändern und dadurch ein Auskristallisieren der Harnsäure verhindert. Ferner kann ein Medikament (Allopurinol) hinzugegeben werden, welches ein Enzym blockiert, das zur Bildung von Harnsäure führt. Bereits gebildete Harnsäure kann mit dem Medikament Rasburicase abgebaut und damit wasserlöslich gemacht werden. [CRE2018]
Sondermaßnahmen bei Patienten mit akuter Promyelozytenleukämie (APL)
Patienten mit einer akuten Promyelozytenleukämie (kurz: APL; AML vom Typ FAB M3) sind von schweren Blutungskomplikationen bedroht, da die Leukämiezellen gerinnungsaktive Substanzen freisetzen, die unter Umständen bereits vor Therapiebeginn Gerinnungsstörungen verursachen können. Zur Vermeidung von Blutungskomplikationen erhalten die Patienten frühzeitig im Rahmen der Therapie das Medikament All-trans-Retinsäure (ATRA). Die Gabe von ATRA führt zu einer Ausreifung der Leukämiezellen und infolgedessen zu einer Normalisierung der Blutgerinnung Patienten mit APL werden darüber hinaus in der Anfangsphase besonders intensiv überwacht. [CRE2018][CRE2018a] Weitere Informationen zur Behandlung von APL-Patienten finden Sie hier.