Wie entsteht ein Tumor oder eine Krebskrankheit bei Kindern und Jugendlichen?
Autor: Dr. med. habil. Gesche Tallen, erstellt 11.12.2003, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Günter Henze, Zuletzt geändert: 04.06.2020
Als betroffener Patient oder Angehöriger fragt man sich meistens, ob man etwas versäumt hat, ob man Schuld ist an der Erkrankung, ob man hätte vorbeugen und verhindern können. Aber trotz intensiver Grundlagenforschung und klinischer Forschung ist bis heute nicht eindeutig geklärt, warum Kinder und Jugendliche an Krebs erkranken.
Folgendes ist bisher bekannt:
Gesunde Zellen teilen sich (Mitose), sie reifen und erlernen ihre Aufgaben (Differenzierung), sie altern (Seneszenz) und sie sterben (Apoptose), und zwar dann, wenn es der Körper erfordert. Sie gehorchen damit einem von der Natur für die Gesundheit vorgegebenen inneren Uhrwerk. Krebs entsteht dann, wenn das innere Uhrwerk einer Zelle, der Zellzyklus, aus dem Takt gerät. Die Folge davon sind unkontrollierte Zellvermehrung, fehlende oder unzureichende Zelldifferenzierung und -alterung oder auch das Ausbleiben des natürlichen Zelltodes.
Die Ursache für Fehlregulationen im Zellzyklus, die eine Zelle entarten lassen können, sind Defekte in den Erbanlagen und Veränderungen von Genen (Mutationen), die das innere Uhrwerk der Zelle steuern (Transkriptionsfaktoren, Onkogene , Tumorsuppressorgene), die Verständigung zwischen einzelnen Zellen ermöglichen (Rezeptorgene) oder geschädigte Erbanlagen reparieren (Reparaturgene). Es gibt seltene vererbte Gendefekte sowie vererbte und angeborene Mutationen, die das Risiko erhöhen, bereits im frühen Kindesalter an einem Tumor beziehungsweise an Krebs zu erkranken (erbliche Krebssyndrome). Aber der Krebs selbst ist keine Erbkrankheit.
Äußere Einflüsse wie Ultraviolettstrahlen (UV-Strahlen) oder Röntgenstrahlen, bestimmte chemische Substanzen, Gifte oder Infektionen können die spontane Entstehung von Mutationen begünstigen. Sie spielen aber für die Krebsentstehung bei Kindern und Jugendlichen eher eine untergeordnete Rolle. In der Schwangerschaft können sie möglicherweise eine maßgeblichere Rolle spielen.
Es gibt Hinweise dafür, dass Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zu Erwachsenen häufig schon vor der Geburt angelegt sind. Das bedeutet, dass Veränderungen in bestimmten Körperzellen schon im Embryo eingetreten sind.
Krebs ist nicht ansteckend.
Es ist bisher wissenschaftlich nicht belegt, dass Krebs bei Kindern und Jugendlichen durch menschliches Verhalten verursacht werden kann. Somit ist es nach dem aktuellen Wissensstand nicht möglich, dass Sie oder Ihr Kind etwas getan oder nicht getan haben, das die Erkrankung ausgelöst hat. Seelische Faktoren, zum Beispiel Beziehungs- oder Verlustkonflikte, werden immer wieder als mögliche Ursache diskutiert. Es gibt aber für diese Vermutungen bisher keine Beweise.