Strahlentherapie
Autor: Maria Yiallouros, Dr. med. habil. Gesche Tallen, erstellt am: 25.07.2007, Zuletzt geändert: 09.06.2021
Inhaltsverzeichnis
Bei Patienten, bei denen eine operative Tumorentfernung nicht oder nur teilweise möglich ist, kann als nicht-chirurgische Therapie eine Strahlentherapie zum Einsatz kommen. In der Regel erfolgt die Bestrahlung allerdings erst dann, wenn der (Rest-)Tumor weiter wächst oder wenn schwere Krankheitszeichen auftreten. Auf diese Weise sollen die mit einer Strahlentherapie verbundenen Nebenwirkungen und Spätfolgen minimiert werden.
Welche Patienten erhalten eine Strahlentherapie?
Die Strahlentherapie galt lange Zeit als Standardtherapie für alle Patienten, deren Tumor nicht oder nicht vollständig entfernt werden konnte. Im Rahmen der heutigen Behandlungspläne wird – bis auf wenige Ausnahmen – versucht, zumindest bei einem Teil der Patienten eine Strahlentherapie möglichst lange hinauszuschieben oder zu vermeiden und stattdessen zunächst durch eine Chemotherapie zu ersetzen [GNE2018] [GNE2003] [KOR2003]. Dies gilt sowohl für Kinder, die an einer Neurofibromatose Typ 1 leiden, als auch für jüngere Kinder (die Altersgrenze wird dabei je nach Therapieplan anders gehandhabt, vor dem fünften Lebensjahr wird jedoch eine Strahlentherapie generell nicht empfohlen).
Im Rahmen der derzeit aktuellen Therapieempfehlungen der LGG-Studien- und Registerzentrale sind für eine Bestrahlungsbehandlung zum Zeitpunkt der Ersttherapie in der Regel nur Patienten ab dem achten Lebensjahr vorgesehen, die nicht unter einer Neurofibromatose Typ 1 leiden.
Bei jüngeren Kindern ist das Gehirn aufgrund der noch nicht vollständig abgeschlossenen Gewebeentwicklung sehr empfindlich gegenüber einer Bestrahlung: Neben Funktionsausfällen des Gehirns, Entwicklungsstörungen und einer Intelligenzminderung besteht auch das Risiko, einen Zweittumor zu entwickeln.
Bei Neurofibromatose-Patienten wird, unabhängig vom Alter, eine Bestrahlung im Rahmen dieses Behandlungskonzepts grundsätzlich deshalb vermieden, weil Spätfolgen der Strahlentherapie bei diesen Patienten aufgrund der häufig bereits bestehenden geistigen Entwicklungsverzögerung besonders schwerwiegend sind. Kinder mit NF I neigen außerdem zur Entwicklung höhergradiger Hirntumoren und scheinen nach einer Bestrahlung häufiger Schäden der Hirngefäße zu entwickeln [KOR2003] [KOR2003a].
Wie wird die Strahlentherapie durchgeführt und was passiert bei einer Bestrahlung?
Perkutane Strahlentherapie
Die Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die betroffene Region eingestrahlt werden. Die Strahlen verursachen Schäden im Erbgut der Zellen. Da Krebszellen ein weniger gut funktionierendes Reparatursystem haben als gesunde Zellen, können sie strahlenbedingte Schäden schlechter beheben, sie sterben ab.
Die eingesetzte Gesamt-Strahlendosis – sie wird in Gy- ( Gray-)Einheiten gemessen – beträgt bei Patienten mit einem niedriggradig malignen Gliom je nach Lage des Tumors (Gehirn oder Rückenmark) in der Regel zwischen 50 und 54 Gy. Um das gesunde Gewebe in der Umgebung so gut wie möglich zu schonen, wird die Gesamtdosis nicht in einmaliger Behandlung verabreicht, sondern in kleinen Portionen von 1,6 bis 1,8 Gy eingestrahlt, zum Beispiel über fünf bis sechs Wochen täglich. Die Wochenenden bleiben bestrahlungsfrei. Bei über 90 % der Patienten spricht der Tumor auf diese Bestrahlungsbehandlung gut an [GNE2003] [KUE2006].
Statt der herkömmlichen Strahlentherapie mit Photonen kann auch eine Partikelbestrahlung mit Protonen (Protonentherapie) erfolgen. Sie wirkt noch zielgerichteter und schonender und gewinnt daher eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Tumoren im Kindes- und Jugendalter. Bei Patienten mit niedrigmalignem Gliom kann die Protonentherapie zum Einsatz kommen, wenn sie im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie Vorteile hinsichtlich der Belastung von Risikoorganen aufweist oder bei sehr jungen Kindern [GNE2003].
Vor Beginn der Behandlung werden die Größe und Lage der zu bestrahlenden Region von Spezialisten genau berechnet. Die Kinder und Jugendlichen werden in der Regel aktiv an der Bestrahlungsplanung beteiligt, das heißt, das Bestrahlungsteam erklärt die Geräte altersgerecht und die Patienten haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Die Bestrahlung als solche tut nicht weh und dauert auch jeweils nicht lange. Allerdings müssen die Patienten für den kleinen Moment, in dem die Strahlen aus dem Gerät in die Tumorregion gesandt werden, sehr ruhig liegen. Deshalb wird im Rahmen der Bestrahlungsplanung immer eine persönliche Kopfschale (Bestrahlungsmaske) angefertigt, die der Patient während den Sitzungen trägt und die dafür sorgt, dass der Kopf bei jeder Behandlungssitzung in derselben Position gelagert werden kann. Weitere Einzelheiten dazu, wie sich Patienten und Angehörige auf eine Strahlentherapie vorbereiten können, finden Sie hier.
Interstitielle Strahlentherapie
Bei manchen Patienten kann eine so genannte interstitielle Strahlentherapie (Brachytherapie) zum Einsatz kommen. Bei dieser Form der Strahlentherapie wird radioaktives Material direkt in den Tumor implantiert (stereotaktische Brachytherapie mit 125-Iod-Seeds). Dies ermöglicht eine maximale Schonung des umgebenden gesunden Gewebes [GNE2018].
Ob ein Tumor (zusätzlich oder ausschließlich) auf diese Weise behandelt werden kann, hängt allerdings sehr stark von seiner Größe, seinem Sitz und Wachstumsverhalten ab. In der Regel eignen sich nur kleine Tumoren für diese Form der Behandlung [KOR2011b] [RUG2011].
Gut zu wissen: Generell ist durch die heute eingesetzten modernen Bestrahlungstechniken und Therapieplanungssysteme eine sehr zielgenaue Strahlentherapie möglich, die, so hofft man, zu einer deutlich verminderten Belastung des gesunden, umgebenden Gehirngewebes führt.
Welche Nebenwirkungen hat die Strahlentherapie und welche Möglichkeiten zur Behandlung und Vorbeugung gibt es?
Die Strahlentherapie schädigt leider nicht nur die bösartigen Zellen. Trotz der sorgfältigen Therapieplanung und -durchführung wird zwangsläufig auch gesundes Gewebe, das sich in unmittelbarer Nähe der bestrahlten Region befindet, in Mitleidenschaft gezogen. Dadurch kann es zu Nebenwirkungen kommen, die das Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigen [KOR2003a].
Einige Nebenwirkungen sind akut, aber vorübergehend:
- So können zum Beispiel zu Beginn der Bestrahlung durch die Reizung der Hirnhäute Kopfschmerzen auftreten.
- Die Strahlentherapie kann auch zur Bildung einer Gewebeschwellung (Ödem) im bestrahlten Bereich (Strahlenödem) führen, welches wiederum mit einem erhöhten Schädelinnendruck und dadurch bedingten Symptomen (wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, manchmal sogar Krampfanfällen) einhergehen kann.
- Neben lokalen Reizerscheinungen der Haut im Bestrahlungsfeld, wie Trockenheit und Rötung, kommt es im Bereich der behaarten Haut meist zum Haarausfall.
- Eine Bestrahlung des gesamten Zentralnervensystems (zum Beispiel bei Metastasen) kann auch zu einer Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion und, damit einhergehend, zu einer Verminderung von weißen Blutzellen und Blutplättchen führen. Dies ist wiederum mit einer erhöhten Infektionsgefahr und erhöhtem Blutungsrisiko verbunden.
- Bei manchen Patienten verursachen Kopfbestrahlungen Müdigkeit und ein erhöhtes Schlafbedürfnis; sie können bis zu mehreren Wochen nach Abschluss der Therapie andauern.
- Auch Fieber, Appetitlosigkeit, Schwindelgefühl und Sehstörungen kommen vor.
- Bei einer Mitbestrahlung der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) kann es zu Hormonstörungen kommen (siehe auch Informationen zu Aufbau und Funktion des Zentralnervensystems, Kapitel: "Zwischenhirn", Abschnitt: "Hypothalamus").
Gut zu wissen: Um den Nebenwirkungen der Strahlentherapie vorzubeugen oder diese zu behandeln, erfolgen unterstützende Behandlungsmaßnahmen. Auch der Patient selbst beziehungsweise seine Angehörigen können zur Linderung strahlenbedingter Folgeerscheinungen beitragen. Tipps hierzu finden Sie in unserem Text "Empfehlungen für zu Hause“. Individuelle Empfehlungen erhalten Sie von Ihrem Behandlungsteam.
Eine Strahlenbehandlung kann, abgesehen von therapiebegleitenden Nebenwirkungen, auch mit Spätfolgen verbunden sein; sie treten zum Teil erst Jahre nach der Therapie auf [KOR2003a]. Informationen zu möglichen Spätfolgen finden Sie im Kapitel "Spätfolgen".