Welche möglichen Krankheitsverläufe / Krankheitsphasen gibt es bei Patienten in Behandlung?

Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 14.04.2008, Zuletzt geändert: 17.11.2020

Bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) kann die Erkrankung auch im Rahmen einer Behandlung individuell unterschiedlich verlaufen. Neben Art und Ausbreitung der Erkrankung ist für den Krankheitsverlauf unter anderem von Bedeutung, ob die Krankheit zum ersten oder zum wiederholten Male auftritt, wie gut und schnell die Erkrankung auf die Therapie anspricht und wie dauerhaft der Erfolg der Therapie ist.

Die Experten benutzen während der Behandlungsplanung und im Rahmen der Verlaufsbeurteilung bestimmte Begriffe, die im Folgenden erklärt werden.

Unbehandelte AML

„Unbehandelte AML“ bedeutet, dass bei einem Patienten die Diagnose zum ersten Mal gestellt wird und bisher außer einer Behandlung der Symptome noch keine Therapie durchgeführt wurde.

AML in Remission

Von einer Remission spricht man, wenn infolge der Behandlung, das heißt unter dem Einfluss zellwachstumshemmender Medikamente (Zytostatika), die Leukämiezellen so stark zurückgedrängt werden konnten, dass sie in Knochenmark und Blut mikroskopisch nicht mehr nachweisbar sind und es keine Anzeichen oder Symptome einer Leukämie mehr gibt.

Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, damit von einer Remission die Rede sein kann [CRE2019] [CRE2018] [CHE1990]:

  • Der prozentuale Anteil der Blasten im Knochenmark muss unter 5 % betragen. (Zum Vergleich: Bei einer unbehandelten Leukämie beträgt der Anteil der Blasten im Knochenmark oftmals über 90 %).
  • Die normale Blutbildung (Hämatopoese) hat sich wieder erholt (über 1.000 neutrophile Granulozyten pro Mikroliter und 80.000 Thrombozyten pro Mikroliter).
  • Ein Befall von Organen außerhalb des Knochenmarks ist nicht mehr nachweisbar.

Der Begriff Remission ist in diesem Sinne gleichbedeutend mit den ebenfalls geläufigen Bezeichnungen „komplette Remission“ oder „Vollremission“ (complete remission, CR).

Bei etwa zwei Drittel der Patienten wird eine Remission vier bis sechs Wochen nach Beginn der ersten Behandlungsphase (Induktionstherapie) erreicht. Der Nachweis erfolgt anhand einer Knochenmarkpunktion. Ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Remission eingetreten, werden zu späteren Zeitpunkten (zum Beispiel nach dem zweiten und dritten Therapieblock) weitere Knochenmarkpunktionen zur Überprüfung des Remissionsstatus notwendig.

Insgesamt erreichen fast 90 % der Kinder und Jugendlichen mit AML durch die heute übliche Behandlung eine Remission [CRE2019]. Hält die Remission mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen an (so genannte ereignisfreie 5-Jahres-Überlebensrate), betrachten die Ärzte den Patienten als geheilt von der Leukämie, da Krankheitsrückfälle nach Ablauf von fünf Jahren nur noch relativ selten (bei etwa 2-3 % der Patienten) auftreten.

Gut zu wissen: Wird die Remission zum ersten Mal erreicht, spricht man von Erstremission. Wird nach einem Krankheitsrückfall erneut eine Remission erreicht, spricht man von einer Zweitremission und so weiter. Remission bedeutet jedoch nicht, dass keine Leukämiezellen im Körper mehr vorhanden sind und daher keine Behandlung mehr notwendig ist.

Enthält der Organismus eines Kindes zum Zeitpunkt der Diagnose zum Beispiel 1012 Leukämiezellen, so wird bereits bei einem Rückgang auf 1010 Zellen eine Remission festgestellt [HEN2004]. Von diesen Restleukämiezellen kann ein Rückfall der Erkrankung ausgehen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass auch diese bösartigen Zellen erreicht und vernichtet werden. Neue Methoden zur Remissionsbeurteilung (wie die Molekulargenetik, die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung [FISH] und die Durchflusszytometrie) spielen eine zunehmend wichtige Rolle, um frühzeitig eventuell verbliebene Restleukämiezellen (so genannte minimale Resterkrankung, MRD) nachzuweisen, die mit herkömmlichen Methoden nicht feststellbar sind [CRE2019].

Krankheitsrückfall (Rezidiv)

Krankheitsrückfall (Rezidiv) bedeutet, dass sich die Leukämiezellen nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung – das heißt, nach einer vollständigen Rückbildung der Leukämie (Remission) – erneut vermehren und sich in Blut, Knochenmark, Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) oder anderen Organen nachweisen lassen. Zu einem Rückfall kann es sowohl im Verlaufe der Therapie als auch nach Abschluss der Behandlung kommen. Meist treten AML-Rezidive noch während der Therapie oder innerhalb der ersten zwei Jahre nach Ende der Therapie auf. Weitere Informationen zum Rezidiv finden Sie im Kapitel "Krankheitsrückfall".

Therapieversagen

Zu der Situation eines Therapieversagens (therapierefraktärer Krankheitsverlauf) kann es kommen, wenn die Leukämie auf eine Behandlung nicht oder nur unzureichend anspricht. Das ist bei Kindern und Jugendlichen mit AML in weniger als 10 % der Fall [CRE2001e]. In einer solchen Situation ist grundsätzlich eine andere Art der Behandlung notwendig, wie diese im Einzelfall aussieht, hängt von der individuellen Situation des Patienten ab.

Sekundäre AML (therapieinduziert)

Von einer therapieinduzierten sekundären AML spricht man, wenn die Erkrankung nach der Behandlung (Chemotherapie oder Strahlentherapie) einer anderen Krebserkrankung auftritt (zum Beispiel nach einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) oder nach Morbus Hodgkin). Therapieinduzierte sekundäre AML gehören zu den häufigsten Zweitkrebserkrankungen. Die Prognose ist schlechter als die einer primären AML [CRE2012a].