Funktionelle Systeme (Nachrichtensysteme)

Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, erstellt am: 24.04.2007, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 19.06.2015

Dieser Abschnitt beschäftigt sich vor allem mit den Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark, welche für die Kontrolle und Regulierung der "gewollten", "bewussten" und "beabsichtigten" (willkürlichen) Bewegungen verantwortlich sind (siehe Pyramidenbahn und extrapyramidal-motorisches System).

Über diese Nervenbahnen kontrolliert die Großhirnrinde alle unter ihr befindlichen (motorischen) Zentren, die für willkürliche Muskelbewegungen zuständig sind (siehe auch Kapitel "Großhirn"). Die Großhirnrinde kann einerseits dämpfend und hemmend auf diese Zentren wirken, andererseits aber auch ständige Muskelspannung auslösen, die vor allem rasche, plötzliche Bewegungen fördert.

Im Anschluss werden noch kurz andere Systeme zur Vermittlung von verschiedenen Nachrichtentypen angesprochen.

Pyramidenbahn

Die Nervenfasern der Pyramidenbahn entspringen in einem Großhirnrindengebiet des Vorderlappens und in Rindenfeldern des Scheitellappens (siehe Kapitel "Großhirn"). Sie ziehen bis zum Rückenmark, wo manche von ihnen auf die Gegenseite übertreten (deshalb ist bei einseitigen Schädigungen die Gegenseite gelähmt) und von dort abwärts ziehen.

Impulse der Pyramidenbahn aktivieren alle Nervenzellen, die Beugemuskeln versorgen und hemmen alle Nervenzellen, die Streckmuskeln versorgen. Dadurch wird vor allem die Feinabstimmung von automatischen Bewegungsabläufen (zum Beispiel Laufen, Greifen) gefördert.

Bezug zur Kinderkrebsheilkunde

Eine Schädigung der Pyramidenbahn kann zu Lähmungen und Störungen bei der Durchführung feiner Bewegungsabläufe (zum Beispiel Faden einfädeln, schreiben) führen.

Extrapyramidal-motorisches System

Zum extrapyramidal-motorischen System gehören alle für Muskelbewegungen zuständigen Nervenbahnen, die durch das Rückenmark ziehen und nicht der Pyramidenbahn angehören.

Die Ursprungsorte dieser Nervenbahnen, die neben der Pyramidenbahn die Motorik beeinflussen, liegen insbesondere in den Nervenzellkernen tief in der weißen Substanz des Großhirns (siehe Kapitel "Großhirn", Abschnitt zu Basalganglien). Diese stehen mit dem Kleinhirn, dem Thalamus im Zwischenhirn und dem Hirnstamm in Verbindung.

Bei einer "gewollten" (willkürlichen) Bewegung werden, zusätzlich zu den Muskeln, die diese Bewegung ausführen, Muskelgruppen an anderen Gliedmaßen und am Rumpf aktiv, damit bei den sich ändernden Haltungsbedingungen das Gleichgewicht und die Körperhaltung aufrechterhalten werden und die Bewegung glatt abläuft.

Solche eher unbewusst ausgeführten Bewegungsabläufe sind beispielsweise das Armpendeln beim Gehen und viele andere, lange eingeübte und mechanisch ablaufende Bewegungen. Sie alle stehen unter der Kontrolle des extrapyramidal-motorischen Systems, das selbständig alle willkürlichen Bewegungen unterstützt.

Bezug zur Kinderkrebsheilkunde

Bei einer Schädigung des extrapyramidal-motorischen Systems kann es beispielsweise zu Störungen der Muskelspannung kommen, die sich in unwillkürlich auftretenden Muskelanspannungen äußern (Dystonie), außerdem auch zu gesteigerten Muskelbewegungen, beispielsweise zu plötzlichen, unvorhersehbaren, unkontrollierten Bewegungen von Armen oder Beinen (Hyperkinese).

Bahnen für Gefühlsempfindungen

Weitere Nachrichtensysteme des Nervensystems bestehen aus den Nervenfaserbahnen, die für die Weiterleitung und Verarbeitung von Gefühlsempfindungen (Sensibilität) verantwortlich sind, wie Berührung, Vibration, Stellung der Gelenke sowie Schmerz und Temperatur. Die Informationen stammen jeweils aus den sensiblen Fasern der Nerven des peripheren Nervensystems [siehe peripheres Nervensystem], gelangen dann in die Rückenmarksbahnen und ziehen in diesen zu ihrem Endigungsgebiet im Zwischenhirn, genauer im Thalamus (siehe Kapitel "Zwischenhirn").

Bahnen für den Geschmack

Die verschiedenen Geschmackserlebnisse werden von Zellgruppen auf der Zunge wahrgenommen, die Geschmacksknospen oder auch Chemorezeptoren genannt werden. Diese nehmen in unterschiedlicher Weise die Geschmacksqualitäten "süß", "sauer", "bitter" und "salzig" wahr, welche sie dann über kleine Nervenfasern in drei verschiedenen Hirnnerven (dem V., X. und XI. Hirnnerv; siehe Kapitel "Hirnstamm und Hirnnerven") durch den Hirnstamm ins Zwischenhirn (zu Thalamus und Hypothalamus) weiterleiten.

Von dort aus werden die Informationen zu ihrer endgültigen Verarbeitung geschickt: einerseits zu einem bestimmten Bereich der Großhirnrinde (Rindenfeld im Scheitellappen) für die Bildung überlegter Reaktionen (siehe Kapitel "Großhirn"); andererseits werden zur unmittelbaren Reizbeantwortung direkt vom Zwischenhirn vegetative Reaktionen wie Speichelbildung und die Ausschüttung von Magensaft ausgelöst.

Bahnen für den Geruchssinn

Geruchserlebnisse werden über Riechzellen (Riechepithel) wahrgenommen. Darunter versteht man Sinneszellgruppen in der Schleimhaut der oberen Nasenmuschel und der Nasenscheidewand. Die Zellen haben jeweils einen kleinen Stiel (Riechkegel) mit einem dünnen Fortsatz, der mit den Fortsätzen anderer Riechzellen beidseits zum II. Hirnnerv (siehe Kapitel "Hirnstamm und Hirnnerven") gebündelt wird und zum Riechzentrum im Großhirn zieht.

Limbisches System

Die, bezogen auf die Entwicklungsgeschichte des Großhirns, ältesten Anteile der beiden Großhirnhälften werden mit ihren Randgebieten und Verbindungen zu Zentren, die sich unterhalb der Großhirnrinde befinden, als limbisches System zusammengefasst.

Das limbische System wird auch als "emotionales" Gehirn bezeichnet, weil es an vielen emotionalen und auch triebhaften Hirnleistungen (unter anderem Angst, Freude, Wut) beteiligt ist. Es ist auch durch verschiedene Nervenfaserbündel mit dem Riechzentrum, mit dem Zwischenhirn und dadurch mit dem vegetativen Nervensystem verknüpft (vegetatives Nervensystem; siehe auch Kapitel "Vegetatives Nervensystem").

Zum limbischen System gehören beispielsweise eine spezielle bogenförmige Hirnwindung, der Gyrus cinguli, die Hippocampusformation im Großhirn und die daneben liegende Windung (Gyrus parahippocampalis) sowie andere Nervenzellkerngebiete im Großhirn und im Zwischenhirn. Da das limbische System eher auf funktionellen Zusammenhängen als auf anatomischen Strukturen beruht, sind die dazu gehörenden Hirnanteile nur ungenau definiert.

Bezug zur Kinderkrebsheilkunde

Die Funktionen des limbischen Systems können durchaus durch einen Tumor, eine Operation oder auch eine Strahlentherapie in bestimmten Hirnregionen beeinflusst werden.