Das Liquorsystem

Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, erstellt am: 24.04.2007, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 22.06.2015

Das Zentralnervensystem (ZNS) ist zu allen Seiten von einer Flüssigkeit, der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (auch Nervenwasser, Liquor) umgeben. Auch die inneren Hohlräume des Gehirns, die Hirnkammern oder Hirnventrikel), sind mit diesem Liquor gefüllt.

Die Flüssigkeit wirkt wie ein Puffer, der Gehirn und Rückenmark gegen plötzliche Stöße und andere schädliche Einwirkungen schützt. Darüber hinaus hat die Flüssigkeit auch eine nährende Funktion. Sie transportiert Nährstoffe vom Blut zum Nervengewebe und leitet Stoffwechselprodukte ab.

Hirntumoren können je nach ihrer Lage den normalen Fluss der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit behindern, so dass es zum lebensgefährlichen Aufstau dieser Flüssigkeit kommt. Dadurch können zusätzliche Maßnahmen, zum Beispiel eine Shunt-Operation, notwendig werden. Im Folgenden wird erklärt, wie der Liquor normalerweise fließt, welche Aufgaben er hat und wo genau es durch einen Tumor zu Problemen kommen kann.

Aufbau und Funktion des Liquorsystems

Die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit umgibt Gehirn und Rückenmark und findet sich auch in inneren Hohlräumen des Gehirns. Entsprechend werden innere und äußere Liquorräume unterschieden.

Innere Liquorräume

Das Ventrikelsystem des Gehirns besteht aus vier Hirnkammern Hirnventrikeln:

  • den beiden Seitenventrikeln der Großhirnhälften (I. und II. Ventrikel)
  • dem Ventrikel des Zwischenhirns (III. Ventrikel)
  • dem Ventrikel von Brücke und verlängertem Mark im Hirnstamm (IV. Ventrikel).

Die beiden Seitenventrikel sind durch eine auf jeder Seite gelegenen Öffnung, dem Foramen Monroi, miteinander verbunden. Der III. Ventrikel steht wiederum durch einen Engpass, den Aquäductus cerebri, mit dem IV. Ventrikel in Verbindung.

Äußere Liquorräume

Gehirn und Rückenmark sind in drei bindegewebige Hirnhäute beziehungsweise Rückenmarkshäute, die Meningen, eingehüllt:

  • die harte Hirn-/Rückenmarkshaut (Dura mater): sie grenzt als äußerste Schicht an den Schädel- beziehungsweise Wirbelknochen an.
  • die Spinngewebshaut (Arachnoidea): die mittlere Hirnhaut
  • die weiche Hirn-/Rückenmarkshaut (Pia mater): Sie legt sich als innerste Schicht direkt an die Oberfläche von Gehirn bzw. Rückenmark an.

Der äußere Liquorraum befindet sich zwischen der Spinngewebshaut (Arachnoidea) und der weichen Hirn- / Rückenmarkshaut (Pia mater). Der Spalt zwischen diesen beiden weichen inneren Hirnhäuten ist mit Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit gefüllt und wird auch als Subarachnoidalraum bezeichnet.

Liquorzirkulation

Die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit wird in speziellen Knäueln aus kleinen Arterien und Venen, dem Plexus choroideus, von bestimmten Ependymzellen gebildet, welche die Wände der Liquorräume auskleiden (siehe auch Kapitel "Feingeweblicher Aufbau"). Dies erfolgt in allen Liquorräumen mit Ausnahme des vorderen und hinteren Anteils der Seitenventrikel und des Aquäductus cerebri (siehe oben).

Der Liquor fließt von den beiden Seitenventrikeln (I. und II. Hirnventrikel) in den III. Ventrikel und von diesem durch das Aquäduct in den IV. Ventrikel. Von hier aus gelangt er über kleine Öffnungen in den äußeren Liquorraum, wo er über kleine Venen in die Lymphbahn abgeleitet und abgebaut wird.

Bezug zur Kinderkrebsheilkunde:

Bei Kindern und Jugendlichen kommen Tumoren vor, die aus entarteten Ependymzellen, hervorgehen. Diese Tumoren, die Ependymome, können überall im Bereich der Liquorräume, das heißt in den Hohlräumen des Gehirns und des Rückenmarks entstehen. Manche dieser Tumoren können selbständig Liquor produzieren und dadurch zum Wasserkopf (Hydrocephalus) führen.

Ein Tumor im Kleinhirn (zum Beispiel ein Medulloblastom oder Astrozytom) wiederum kann zum Beispiel von hinten den IV. Hirnventrikel verschließen und dadurch zum Liquoraufstau in den beiden Seitenventrikeln (I. und II. Ventrikel) und dem III. Ventrikel führen (innerer Verschlusshydrocephalus oder Hydrocephalus internus occlusus).

Ein solcher Verschlusshydrocephalus kann vorübergehend sein oder aber (durch narbige Verwachsungen nach einer Tumorentfernung oder Bestrahlung) dauerhaft bestehen bleiben. Auf jeden Fall führt er unbehandelt und in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Tumorwachstums früher oder später zu einer lebensgefährlichen Druckerhöhung in der Schädelhöhle.

Neben der Tumorentfernung werden dann zusätzliche neurochirurgische Maßnahmen notwendig, wie die Anlage einer externen Ventrikeldrainage [siehe externe Ventrikeldrainage], eines ventrikulo-peritonealen Shunts [siehe ventrikulo-peritonealer Shunt] oder einer Ventrikulostomie.

Diese Eingriffe werden in den Texten zu den verschiedenen ZNS-Tumoren innerhalb des Kapitels "Supportivtherapie" (unter Behandlungsmethoden) noch weiter erläutert.