Hochdosis-Chemotherapie und autologe Stammzelltransplantation
Autor: Maria Yiallouros, erstellt am: 04.02.2009, Zuletzt geändert: 18.06.2021
Inhaltsverzeichnis
Spricht die Erkrankung auf die übliche chemo- und strahlentherapeutische Behandlung nicht an oder kommt es zu einem Krankheitsrückfall (Rezidiv), so muss die Durchführung einer besonders intensiven Chemotherapie, eine Hochdosis-Chemotherapie, erwogen werden. Die verabreichte Zytostatikadosis ist bei dieser Therapie so hoch, dass auch widerstandsfähige Lymphomzellen im Körper abgetötet werden.
Da die intensive Behandlung jedoch nicht nur die bösartigen Zellen, sondern auch das blutbildende System im Knochenmark zerstört, werden dem Patienten vor der Hochdosistherapie Stammzellen der Blutbildung (Blutstammzellen) aus Knochenmark oder Blut entnommen und nach Abschluss der Behandlung wieder übertragen (transplantiert). Die Fachleute sprechen auch von autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation (abgekürzt: autologe HSZT oder SZT). Blutstammzellen sind die „Mutterzellen“ aller Blutzellen. Sie werden im Knochenmark gebildet und können sich zu allen Formen von Blutzellen weiter entwickeln. Diese Fähigkeit der Stammzellen macht man sich bei der Stammzelltransplantation zunutze.
Voraussetzung für die Durchführung einer Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation ist allerdings, dass die (Rezidiv-)Erkrankung auf eine zuvor durchgeführte „Salvage“-Chemotherapie gut anspricht. Die Salvage-Therapie besteht aus insgesamt vier Therapiezyklen einer Zytostatikakombination aus Ifosfamid, Gemcitabin, Prednisolon und Vinorelbin (kurz: IGEV). Ausschlaggebend für ein Ja zur Hochdosis-Chemotherapie ist ein gutes Therapieansprechen – überprüft mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) – nach den ersten beiden IGEV-Zyklen (siehe auch Kapitel "Krankheitsrückfall - Behandlung"). Da es sich um eine belastende und sehr risikoreiche Behandlung handelt, sind auch das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten von Bedeutung.
Gut zu wissen: Die Hochdosistherapie ist inzwischen die Therapie der Wahl bei fortschreitender Erkrankung und bei einem frühen Krankheitsrückfall (Rezidiv). Nur bei Rezidiven, die mit einem niedrigen Rückfallrisiko verbunden sind – also beispielsweise bei Patienten, die bei Ersterkrankung im Therapielevel 1 behandelt wurden oder die nicht bestrahlt wurden oder nur ein lokal sehr begrenztes Rezidiv haben – kommt eine (erneute) Bestrahlung in Frage.
Welche Möglichkeiten der Transplantation gibt es?
Prinzipiell unterscheidet man nach Art des Spenders zwei Formen der Stammzelltransplantation: die autologe Stammzelltransplantation und die allogene Stammzelltransplantation.
- Bei der autologen Stammzelltransplantation bekommt der Patient eigene Stammzellen übertragen, die ihm zuvor – in der Phase der Remission – entnommen wurden (“auto“ ist eine griechische Silbe und bedeutet “selbst“).
- Bei der allogenen Stammzelltransplantation (“allo“- ist eine griechische Silbe und bedeutet “anders“ oder “fremd“) erhält der Patient Blutstammzellen von einer anderen Person. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass die Gewebemerkmale des Spenders mit denen des Empfängers übereinstimmen [LJU2010].
Bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Hodgkin kommt fast ausschließlich die autologe Stammzelltransplantation in Betracht. Sie wird im Folgenden erläutert. Informationen zur selten eingesetzten allogenen Stammzelltransplantation und zur Stammzelltransplantation im Allgemeinen erhalten Sie hier.
Wie läuft eine autologe Stammzelltransplantation ab?
Die Stammzelltransplantation setzt sich aus zwei Phasen zusammen:
- Konditionierung: In der Phase der Konditionierung wird der Patient mit Hilfe einer hoch dosierten Chemotherapie – zum Teil kombiniert mit einer Bestrahlung der betroffenen Körperregionen – so intensiv behandelt, dass alle noch vorhandenen Lymphomzellen zerstört werden.
- Stammzelltransplantation: In der anschließenden Phase werden dem Patienten – als Ersatz für das zerstörte Knochenmark – die zuvor entnommenen Stammzellen der Blutbildung durch eine Infusion in die Vene zurück übertragen. Die Blutstammzellen wandern in die Markhöhlen der Knochen, siedeln sich dort an und beginnen, neue funktionstüchtige Blutzellen zu bilden. In der Regel dauert es durchschnittlich drei bis sechs Wochen, bis sich die Blutwerte erholt haben.
Wie werden die Stammzellen gewonnen?
Die Stammzellen können entweder aus dem Knochenmark, dem Ort ihrer Entstehung, oder aus der Blutbahn gewonnen werden. Im ersten Fall nennt man das Verfahren ihrer Übertragung Knochenmarktransplantation, im zweiten Fall periphere Stammzelltransplantation. Bei Patienten mit Morbus Hodgkin wird am häufigsten die periphere Blutstammzelltransplantation durchgeführt. Eine besondere Art der Stammzellgewinnung aus dem Blut ist die Nutzung von Plazentarestblut oder Nabelschnurblut. Zur weiteren Information hierzu siehe hier.
Die aus Knochenmark oder Blutbahn isolierten Stammzellen werden bis zum Zeitpunkt der Transplantation in speziellen Anlagen bei minus 196°C tiefgefroren (Kryokonservierung) und in flüssigem Stickstoff gelagert.
Stammzellgewinnung aus dem Knochenmark
Bei der Knochenmarkentnahme wird dem Patienten nach vorheriger eingehender Untersuchung, etwa ein Liter Knochenmarkblut durch Punktionen an beiden Beckenknochen entnommen. Diese Menge ist notwendig, um eine ausreichende Zahl blutbildender Stammzellen für den Wiederaufbau der Blutbildung zu erhalten. Da die Entnahme mit Schmerzen verbunden ist, erfolgt sie unter Vollnarkose. Die roten Blutkörperchen werden dem Patienten nach Abtrennung der Stammzellen zurück transfundiert, um den Blutverlust gering zu halten. Das entnommene Knochenmark bildet sich innerhalb von zwei Wochen wieder nach. Abgesehen vom allgemeinen Narkoserisiko ist die Knochenmarkentnahme ungefährlich.
Stammzellgewinnung aus dem Blut
Alternativ zur Knochenmarktransplantation findet heute zunehmend die Übertragung von Stammzellen statt, die aus dem Blutkreislauf des Patienten (oder eines Spenders) gewonnen werden; man spricht in diesem Fall auch von „peripherer Stammzelltransplantation“. Denn: Stammzellen der Blutbildung finden sich nicht nur im Knochenmark, sondern auch im zirkulierenden Blut.
Allerdings sind Stammzellen im Blut unter normalen Bedingungen nur in geringen Mengen vorhanden. Daher wird dem Patienten (oder dem Spender) vier bis fünf Tage vor der Stammzellentnahme täglich eine körpereigene Hormon-ähnliche Substanz, ein so genannter Wachstumsfaktor (zum Beispiel G-CSF) in die Haut gespritzt, der die Stammzellen dazu anregt, vermehrt aus dem Knochenmark in die Blutbahn überzutreten. Anschließend werden die Stammzellen mit Hilfe einer speziellen Zentrifugeneinrichtung (Blutzell-Separator) aus dem Venenblut des Patienten (oder Spenders) gesammelt. Um genügend Blutstammzellen für eine erfolgreiche Transplantation zu erhalten, muss dieser Vorgang, die so genannte Stammzell-Apherese, an einem oder auch zwei aufeinanderfolgenden Tagen über jeweils zwei bis vier Stunden durchgeführt werden.
Gegenüber der Knochenmarktransplantation hat diese Methode gewisse Vorteile: Die Entnahme der Stammzellen kann ohne Narkose erfolgen. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Blutbildung beim Empfänger nach der Transplantation schneller wieder in Gang kommt. Die Phase akuter Infektionsgefahr ist dadurch verkürzt.
Welche Risiken / Nebenwirkungen sind mit einer Stammzelltransplantation verbunden und welche Maßnahmen werden zu ihrer Vorbeugung / Linderung ergriffen?
Eine Stammzelltransplantation ist für den Patienten eine sehr risikoreiche und belastende Behandlung. Sie geht mit zum Teil lebensbedrohlichen Komplikationen einher, an denen Patienten auch versterben können.
Risiken der Konditionierung (Chemo-/Strahlentherapie)
Risiken ergeben sich zunächst durch die knochenmarkzerstörende Chemotherapie und Strahlentherapie, die der eigentlichen Transplantation vorausgeht; sie bringt die Immunabwehr des Patienten fast gänzlich zum Erliegen. Vor allem in der Zeit unmittelbar nach der intensiven Therapie und bevor die übertragenen Stammzellen die Blutbildung wieder in Gang gesetzt haben, ist der Patient durch den Mangel an Abwehrzellen extrem infektionsgefährdet.
Zum Schutz vor Infektionen (durch Bakterien, Viren und Pilze) erfolgt deshalb bereits vorbeugend eine Behandlung mit entsprechenden Medikamenten. Außerdem muss sich der Patient in der Zeit vor und nach der Transplantation in einer Sterileinheit aufhalten, zu der außer Ärzten und Pflegepersonal nur wenige Personen – vielfach sogar in Schutzkleidung und mit Mundschutz – Zutritt haben. Die fehlenden roten Blutzellen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) müssen, bis das transplantierte Knochenmark die Blutbildung übernimmt, durch Transfusion ersetzt werden.
Die Zeit, in der die Bildung von Blutzellen brach liegt, wird als „Aplasie“-Phase bezeichnet [siehe Knochenmarkaplasie]. In der Regel beginnen die transplantierten Stammzellen mit einer Verzögerung von etwa 10 bis 20 Tagen mit der Produktion von Blutzellen. Sobald ausreichend weiße Blutzellen vorhanden sind, kann die Isolation aufgehoben werden. Dies ist normalerweise nach 10 bis 14 Tagen der Fall.
Risiken der Transplantation
Auch die Transplantation selbst kann mit verschiedenen Komplikationen verbunden sein. So besteht immer die (geringe) Gefahr, dass das transplantierte Knochenmark nicht „anwächst“. Eine Stammzelltransplantation ist außerdem mit verschiedenen Spätfolgen verbunden, die vor allem auf die hoch dosierte Chemotherapie und die Ganzkörperbestrahlung zurückzuführen sind. Informationen hierzu finden Sie im Kapitel "Spätfolgen".
Trotz dieser möglichen Nebenwirkungen darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Stammzelltransplantation in manchen Fällen die einzige Chance ist, Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom zu heilen.
Weitere Informationen zur Stammzelltransplantation erhalten Sie hier.
Basisliteratur
- Handgretinger R, Matthes-Martin S, Lang P: Hämatopoetische Stammzelltransplantation. in: Niemeyer C, Eggert A (Hrsg.): Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Springer-Verlag GmbH Deutschland 2. vollständig überarbeitete Auflage 2018, 17 [ISBN: 978-3-662-43685-1]
- Ebell W: Hämatopoetische Stammzelltransplantation. in: Gadner H, Gaedicke G, Niemeyer CH, Ritter J:. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie Springer-Verlag, 2006, 66 [ISBN: 3540037020]
- Klingebiel T: Knochenmark- und Stammzelltransplantation, in Gutjahr P: Krebs bei Kindern und Jugendlichen. Deutscher Ärzte-Verlag Köln 5. Aufl. 2004, 83 [ISBN: 3769104285]