Fallbeispiel 2

Autor: Jan-Henning Klusmann, erstellt 21.02.2004, Redaktion: Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 11.04.2006

Anamnese

Acht Jahre alter Junge ohne wesentliche Erkrankungen in der Vorgeschichte.
Vor drei bis vier Wochen waren Aphten im Mund aufgefallen. Seit zwei Wochen bestehende Schwäche und Müdigkeit, die mit einer Blässe und einer Gewichtsabnahme von einem Kilo einherging. Wenige Tage vor Einlieferung ambulante Behandlung bei einem Chirurgen wegen eines Panaritium am linken Mittelfinger.
Nächtliche akute Vorstellung in einer Kinderklinik wegen Priapismus.

Aufnahmebefund

Achtjähriger Junge, 1,24 m groß und 21,5 kg schwer, in ausreichendem Allgemeinzustand und normalem Ernährungszustand. Insgesamt blasses Integument.

Cor

Herztöne rhythmisch und rein, keine Nebengeräusche

Pulsstatus

regulär, gut palpabel

Pulmo

seitengleich belüftet, keine Rasselgeräusche, keine Obstruktion

Abdomen

weich, keine Abwehrspannung, lebhafte Darmgeräusche, Hepatosplenomegalie: Leber bis 3cm unter dem Rippenbogen tastbar, Milz bis 2cm unter dem Rippenbogen tastbar

Genital

Priapismus, beide Hoden im Skrotum tastbar

neurologischer Status

unbeeinträchtigt, voll orientiert

Kommentar 1:
Hinweise auf Leukämie: Schwäche, Müdigkeit, Blässe, Gewichtsabnahme, Priapismus, Hepatosplenomegalie.

Diagnostik

Labor

Laborbefund

Echokardiographie

Tag 3: gute Myokardfunktion, FS 40%, kein Hinweis auf strukturellen Herzfehler, kein Perikarderguss

MRT-Schädel

Tag 3: Hirnparenchym allseits regelrecht angelegt und myelinisiert, vor und nach KM-Gabe keine pathlogische Signalveränderung (auch nicht meningeal), unauffällige Liquorräume; NB: Schleimhautschwellung in den mit abgebildeten NNH und im pneumatisierten Felsenbein

Augenarztkonsil

Tag 6: reizfreie VAA, klare Medien, Papillen vital, etwas randunscharf, geringfügige Tortuositas vasorum, links kleine intraretinale Blutung, Netzhaut anliegend, kein Anhalt für leukämoide Infiltrate

Verlauf

Therapie Fall2 (15KB)
Autor: Jan-Henning Klusmann

Tag 1

3.00h

Aufnahme wegen akutem Priapismus

 

Abpunktion von 1ml Blut

 

Gabe von Piritramid (Dipidolor) und Etilefrin (Effortil)

Blutbild

Hyperleukozytose

 

11.00h

Verlegung in eine Spezialklinik bei sonst stabilem Zustand

Spezialklinik

Knochenmarkpunktion
Blutbild
Infusion von Antibiotika

 

Verlegung in eine zweite Spezialklinik (bessere intensivtherapeutischen Therapiemöglichkeiten) mit Verdacht auf akute myeloische Leukämie

20.00h

Intensivstation

 

Legen eines Shaldon-Katheters in die rechte V. femoralis

Tag 2

1.00h

  • Beginn der Austauschtransfusion (über 15 Stunden)
  • mehrfache Unterbrechung wegen Gerinnselbildung im System
  • Leukozyten: vor Austausch: 362.500/µl nach Austausch: 145.000/µl
 

bei gleichzeitiger Thrombozytopenie Gabe von 480ml Thrombozytenkonzentrat

Therapie

  • Hydrierung (4,5 ml/kg/h Glucose 5% und NaCl 0,9%)
  • Alkalisierung (abhängig vom Urin-pH)
  • Chemotherapie mit Cytarabin KI (40mg/m²) Hydroxyurea (18 mg/kg KG), dann DTI Cytarabin (102 mg/m²/24h)
  • Diurese (Furosemid (Lasix) bilanzabhängig)
  • Antibiose (Colistin, Sulfamethohexazol+Trimethoprim (Kepinol), Ceftriaxon (Rocephin))
  • antimykotische Medikamente(Amphotericin (Ampho Moronal))
 

dreimalige Gabe von Rasburicase (3 x 0,2 mg/kg KG) notwendig: Harnsäure bei 3,1mg/dl (12.00h), unter Rasburicase Abfall des Harnsäure-Spiegel auf 0,5mg/dl

Tag 5

Labor

Leukozyten bei 36.500/µl

 

auf die Gabe von Vancomycin: Red-Man-Syndrom, komplikationslos verlaufen

Induktions-therapie

  • Idarubicin (12 mg/m² über vier Stunden)
  • Cytarabin KI (102mg/m²/24h)

Tag 6

Lumbalpunktion

  • gleichzeitig intrathekale Gabe von Cytarabin(46 mg/m²)
  • vor der Lumbalpunktion Thrombozytenkonzentrat substituiert
  • zwei verdächtige Zellen im Liquor

Tag 7

Rückverlegung

  • stabile Situation
  • Leukozyten bei 1.890/µl
  • Thrombozyten bei 8.700/µl

insgesamt

stabile Situation, zu keiner Zeit Intubationspflicht. Die Intensivtherapie gestaltete sich stabil, es bestand zu keiner Zeit Intubationspflicht

Kommentar 2:
Bei gutem Allgemeinzustand trotz Priapismus und Hyperleukozytose wurde das Kind erst nach 6 Stunden in eine Spezialklinik verlegt. Hier wurde nach einer Knochenmarkpunktion die Verdachtsdiagnose einer akuten myeloischen Leukämie gestellt. Um dem Kind in weiter bestehendem guten Allgemeinzustand und persistierender Hyperleukozytose eine optimale intensivmedizinische Therapie zu ermöglichen, erfolgte ein erneuter Transport in eine weitere Spezialklinik, wo 22 Stunden nach primärer Vorstellung eine Austauschtransfusion mit anschließenden weiteren Maßnahmen (Rasburicase, Cytarabin) zur Reduktion der Leukozyten begonnen wurde.