Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) ist das funktionelle "Ausführungsorgan" des Hypothalamus. Sie besteht aus zwei Anteilen: dem Hypophysen-Vorderlappen (Adenohypophyse) und dem Hypophysen-Hinterlappen (Neurohypophyse).
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Das Zwischenhirn (Diencephalon)
Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, erstellt am: 24.04.2007, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 04.07.2016
In Gesprächen mit dem Behandlungsteam werden immer wieder Begriffe auftauchen wie "thalamisch" oder "Hypothalamus" und "Hypophyse", oder auch "Hormonstatus", insbesondere dann, wenn es sich zum Beispiel um die Behandlung eines niedrigmalignen Glioms im Bereich der Sehbahn handelt. Aber auch im Rahmen der Strahlentherapie vieler Hirntumoren fallen diese Fachbegriffe, die sich allesamt auf Aufgabenbereiche des Zwischenhirns beziehen. Sie sollen deshalb im Folgenden näher erklärt werden.
Aufbau und Funktion des Zwischenhirns
Das Zwischenhirn ist die Fortsetzung des Hirnstamms in Richtung des Großhirns. Es lässt sich (von oben nach unten) in vier übereinander gelagerte Ebenen gliedern: den Epithalamus, den Thalamus, den Subthalamus und den Hypothalamus.
Epithalamus
Der Epithalamus ist eine Schaltstelle für Bahnen zwischen den Riechzentren sowie aus dem Hirnstamm und aus der Zirbeldrüse (Epiphyse oder Pinealisdrüse). Die Funktion der Zirbeldrüse besteht wahrscheinlich in der Bildung von Melatonin, einem Hormon, das auf die Veränderung von Lichtverhältnissen reagiert und dadurch zur Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus beiträgt.
Thalamus
Der Thalamus ist die Endigungsstätte der Bahnen für verschiedene Gefühlsempfindungen. Er ist durch auf- und absteigende Nervenfaserbahnen mit dem Hirnstamm, dem Kleinhirn und der Zirbeldrüse verbunden.
Subthalamus
Der Subthalamus liegt dem Mittelhirn an. Er enthält die Nervenzellkerne für bestimmte Muskelaktivitäten.
Hypothalamus
Der Hypothalamus bildet die unterste Etage des Zwischenhirns. Aus ihm stülpt sich ein Teil der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) heraus. Er ist das oberste Regulationszentrum für das vegetative Nervensystem (siehe auch Kapitel "Vegetatives Nervensystem").
Der Hypothalamus beeinflusst verschiedene Organe, indem er bestimmte Hormone produziert, die wiederum die Bildung und Ausschüttung anderer Hormone in der Hypophyse regulieren. Die Hypophysenhormone stimulieren ihrerseits die Produktion und Ausschüttung von Hormonen aus den verschiedenen Hormondrüsen des Körpers.
Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
Der Vorderlappen (Adenohypophyse) produziert folgende Hormone:
- Tyreotropin (Thyreoidea-stimulierendes Hormon, TSH): Es regt die Schilddrüse zur Produktion von Schilddrüsenhormon (Thyroxin) an.
- Adrenocorticotropin (Adrenocorticotropes Hormon, ACTH): Es stimuliert die Produktion von Glukokortikoiden.
- Follikel-stimulierendes Hormon (FSH): Es regt in den Geschlechtsorganen die Reifung der Eizellen beziehungsweise die Produktion von Spermien an.
- Luteinisierendes Hormon (LH): Es stimuliert in den Geschlechtsorganen die Produktion und Ausschüttung von Geschlechtshormonen.
- Somatotropin (Somatotropes Hormon, STH, auch Wachstumshormon genannt): Es beeinflusst zahlreiche Stoffwechselvorgänge sowie das Wachstum und die Differenzierung von Zellen. Eine wichtige Wirkung ist zum Beispiel die Regulierung des Körperwachstums nach der Geburt. Diese Wirkung erfolgt über die Anregung der IGF-1-Produktion in der Leber. (Entsprechend wird bei den Hormonuntersuchungen nicht STH, sondern IGF-1 im Blut bestimmt).
- Prolaktin (PRL): Es stimuliert die Milchproduktion in den Brustdrüsen.
- Melanotropin (Melanozyten-stimulierendes Hormon, MSH): Es reguliert u.a. in den Pigmentzellen der Haut (Melanozyten) die Bildung und Verteilung von Pigment (Melanin), das die Haut gegenüber UV-Strahlen schützt. Darüber hinaus ist es an der Regulierung von Hunger und sexueller Erregung beteiligt.
Der Hinterlappen (Neurohypophyse) produziert folgende Hormone:
- Oxytocin: Dieses ist zum Ende einer Schwangerschaft und während des Geburtsvorgangs für das Auslösen und die Anpassung der Wehentätigkeit der Gebärmutter zuständig. Im Anschluss an die Schwangerschaft regt die Oxytocin-Ausschüttung die Milchproduktion in den Brustdrüsen an.
- Antidiuretisches Hormon (ADH): Es sorgt dafür, dass nicht zu viel Wasser über die Niere ausgeschieden wird. Außerdem erhöht die ADH-Ausschüttung den Blutdruck, indem sie zu einer Gefäßverengung der Arterien führt.
Bezug zur Kinderkrebsheilkunde
Typische Krankheitszeichen bei einer Schädigung des Zwischenhirns, zum Beispiel hervorgerufen durch einen ZNS-Tumor oder durch unerwünschte Nebenwirkungen der Behandlung, sind:
- Halbseitenlähmung
- Gleichgewichtsstörungen
- Appetitregulationsstörungen
- Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Hormonregulationsstörungen (zum Beispiel Wachstums- oder Geschlechtshormonmangel mit entsprechenden Folgen)
- Störungen des Wasserhaushalts (Diabetes insipidus)
- Einklemmungssyndrome (siehe unten)
Unter Einklemmungssydnromen versteht man Verschiebungen von Hirnanteilen, die (zum Beispiel infolge eines Tumors) durch aufgebrauchten Reserveraum und erhöhten Druck in der Schädelhöhle ausgelöst werden. Dabei geht es besonders um die Verschiebung von Großhirnanteilen in Richtung Zwischenhirn und Hirnstamm mit Druckschädigung dieser Strukturen (auch als diencephales Syndrom bezeichnet). Einklemmungssyndrome gehen meist mit Funktionsstörungen des Hirnstamms einher (siehe auch Kapitel "Hirnstamm und Hirnnerven") und führen zu:
- Bewusstseinsstörung und Verhaltensänderung mit Konzentrationsstörungen
- Orientierungsstörungen und im weiteren Verlauf Bewusstseinsverlust
- Atmungsstörungen
- erhöhte Muskelspannung mit gesteigerten Eigenreflexen (siehe auch Kapitel "Rückenmark und Nerven")
- im fortgeschrittenen Stadium unkontrolliertes Beugen der Arme und Strecken der Beine
- zunächst enge, bei fortschreitender Schädigung mittelweite, manchmal entrundete und lichtstarre Pupillen
- Fehlsteuerungen des vegetativen Nervensystems, das heißt zu schnelle Herztätigkeit (Tachykardie), erhöhter Blutdruck (Hypertonie), zu hohe Körpertemperatur (Hyperthermie) (siehe auch Kapitel "Vegetatives Nervensystem").
Anmerkung: Das Zusammenwirken von Hypothalamus, Hypophyse und den Hormondrüsen des Körpers unterliegt einem Regelkreis, also einem Steuerungssystem mit Gegenkoppelung. Die Intaktheit dieses Regelkreises kann bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen durch die Erkrankung selbst, jedoch auch durch Nebenwirkungen der Behandlung beeinträchtigt werden.
Aus diesem Grund wird vor und während der Behandlung sowie im Rahmen der Nachsorge regelmäßig anhand von Hormonuntersuchungen überprüft, ob dieser Regelkreis noch intakt ist. Die Auswertung erfolgt in den großen Behandlungszentren durch Kinder-Endokrinologen, also durch Ärzte, die auf den Hormonhaushalt im Kindes- und Jugendalter spezialisiert sind. Gemeinsam mit den Kinder-Endokrinologen werden dann gegebenenfalls notwendige Hormonbehandlungen geplant und überwacht.
Insbesondere bei Patienten mit ZNS-Tumoren im Zwischenhirnbereich (zum Beispiel Gliome im Bereich der Sehbahn) und Hirntumorpatienten, die eine Strahlentherapie im Bereich des Kleinhirns oder des Rückenmarks im Halswirbelsäulenbereich erhalten, kann die Hirnanhangsdrüse und auch die Schilddrüse Strahlung abbekommen und dadurch in ihren Funktionen beeinträchtigt werden. Daher sind diese Hormonuntersuchungen unverzichtbarer Bestandteil der Verlaufs- und Nachsorgeuntersuchungen.