Hilfe und Unterstützung: Gemeinsamer Text der Informationsdienste

Autor: Dr. sc. hum. Birgit Hiller, Dr. med. Ralf Herold, erstellt am: 04.09.2013, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 11.09.2013

Rund 1.800 Kinder erkranken in Deutschland jährlich bis zu ihrem 15. Lebensjahr an Krebs. Ihre Überlebenschancen haben sich in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert. Auch wenn betroffene Eltern heute mit viel Hoffnung in die Zukunft sehen können, bleibt die Tumorerkrankung eines Kindes eine extreme Belastung für die ganze Familie.

Diese Erkrankungen können auftreten

Warum Kinder überhaupt an Tumoren erkranken können, ist für viele Eltern zunächst ein Rätsel: Denn zum einen spielen angesichts des jungen Alters die bekannten Risikofaktoren in aller Regel noch gar keine Rolle. Zum anderen ist, selbst wenn das Kind bestimmten Risikofaktoren ausgesetzt wäre, noch nicht - wie es eben bei Erwachsenen der Fall ist - so viel Zeit verstrichen, dass ein solcher Risikofaktor rein statistisch zu einem Krankheitsauslöser werden kann.

Nichts falsch gemacht

Die Frage "haben wir etwas falsch gemacht", müssen sich Eltern jedenfalls nicht stellen: Wissenschaftler und Ärzte gehen heute davon aus, dass die Ursachen für Krebs bei Kindern nicht eindeutig im Einzelfall zu belegen sind. Möglicherweise haben die Veränderungen im Erbmaterial, die aus einer gesunden Zelle eine Tumorzelle gemacht haben, bereits vor der Geburt ihren Anfang genommen.

Die Krebsarten, an denen Kinder in Deutschland am häufigsten erkranken, unterscheiden sich auch deutlich von jenen der Erwachsenen: Etwa die Hälfte der kleinen Patienten leidet unter Leukämien und Lymphomen; es folgen Hirntumoren, das Neuroblastom als Tumor des Nervensystems und der Wilms-Tumor (Nephroblastom), der sich in der Niere entwickelt. Bei kleinen Kindern treten überwiegend Erkrankungen auf, die sich aus embryonalem Gewebe ableiten. Erst bei größeren Kindern und Jugendlichen finden sich dann auch andere Krebsarten wie Weichteil- und Knochensarkome. Nur selten aber kommen echte Karzinome vor, die bei Erwachsenen die Mehrheit aller bösartigen Erkrankungen ausmachen.

Über die Zahlen und Statistiken zu Krebs bei Kindern und Jugendlichen informiert das Deutsche Kinderkrebsregister unter www.kinderkrebsregister.de. Das Deutsche Kinderkrebsregister ist seit seiner Gründung im Jahre 1980 am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angesiedelt. Es erfasst Krebsfälle bei Kindern unter 15 Jahren (seit 2009 unter 18 Jahren) flächendeckend für ganz Deutschland (seit 1991 auch für die neuen Länder).

Diagnose, Behandlung, Nachsorge: Auf welche Leistungen besteht Anspruch?

Die meisten Kinder in Deutschland sind gesetzlich versichert, in der Regel über ihre Eltern, und haben damit im Krankheitsfall Anspruch auf Diagnose, Behandlung und Nachsorge. Für privat Versicherte gilt der jeweilige Vertrag.

Diagnose

Für Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen existieren keine Früherkennungsmethoden, die sich in der Praxis bewährt hätten. Auch entwickeln sich die meisten Krebserkrankungen bei Kindern so schnell, dass Untersuchungsabstände von einem Jahr oder mehr, wie sie bei Erwachsenen üblich sind, nicht ausreichen würden, um im Kindesalter einen halbwegs zuverlässigen Schutz zu gewährleisten.

In Anspruch nehmen sollten Eltern für ihre Kinder jedoch die regelmäßigen Untersuchungen U1 bis U9, die beim Neugeborenen zum ersten Mal vorgenommen werden. Die Wiederholung dieser Untersuchungen ist bis zum fünften Lebensjahr oder bis zur anstehenden Einschulung empfehlenswert. Für Kinder zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr werden die Untersuchungen U10 und U11, für zwölf- bis 15jährige die so genannte Jugendgesundheitsuntersuchung (J1) angeboten. Eine weitere Untersuchung (J2) gibt es für Jugendliche vom 17. bis 18. Lebensjahr. Der Anspruch auf diese Untersuchungen und damit die Kostenübernahme ist im Sozialgesetzbuch V verankert.

Die Untersuchungen sichern den guten Kontakt zum Kinderarzt, der dann auch bei ungewöhnlichen Krankheitszeichen der wichtigste Ansprechpartner ist. Kosten, die im Rahmen einer Behandlung anfallen, übernehmen die Krankenkassen. Gesetzlich versicherte Kinder sind auch von Zuzahlungen befreit und müssen keine Praxisgebühr entrichten (www.die-gesundheitsreform.de).

Behandlung

Fast alle Kinder, die an Krebs erkranken, werden im Rahmen von so genannten Therapieoptimierungsstudien behandelt. Die Behandlung innerhalb dieser Studien dient dazu, die Versorgung kranker Kinder so gut wie möglich zu gestalten, die Therapieergebnisse stetig zu optimieren und gleichzeitig die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Die Teilnahme an einer Therapiestudie ist für die Betroffenen mit keinen zusätzlichen Kosten oder Zuzahlungen verbunden.

Nachsorge

Was viele Eltern nicht wissen: Auch auf Rehabilitation haben die meisten Kinder Anspruch. Diese wird, wenn die Eltern die Voraussetzungen wie Wartezeit oder Mindestpflichtbeiträge erfüllen, von den Krankenkassen und gegebenenfalls auch vom jeweiligen Rentenversicherungsträger finanziert. Kinder, die eine Waisenrente beziehen, haben sogar einen eigenen Anspruch.

In spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen wie auch unter ambulanter Betreuung kann nicht nur das betroffene Kind zur Ruhe kommen und die Behandlung abschließen. Die meisten Kliniken oder Einrichtungen vor Ort bieten eine familienorientierte Rehabilitation an. Nicht nur ein Elternteil, sondern beide Eltern und die Geschwister können auf Antrag das kranke Kind begleiten.

Die Fachgesellschaften gehen dabei davon aus, dass die Einbeziehung der ganzen Familie besonders wichtig ist, denn eine klassische Mutter-Kind-Kur würde dazu beitragen, dass die Trennung des kleinen Patienten und seiner Begleitperson vom Rest der Familie über die Behandlungszeit hinaus noch weiter besteht und somit vertieft wird. Bei Eltern und Geschwistern treten zudem eigene Belastungen auf, die nicht selten zu psychischen wie körperlichen Problemen führen. Sie lassen sich in der Rehabilitation angehen und abbauen.

Standards helfen heilen: Wie wird die Qualität der Versorgung gesichert?

Heute überleben in Deutschland mehr als 75 Prozent aller krebskranken Kinder und Jugendlichen; bei einigen Krebsarten sind es sogar über 90 Prozent. Fachleute führen diese Erfolge darauf zurück, dass heute fast alle Kinder im Rahmen von so genannten Therapieoptimierungsstudien behandelt werden. Dies heißt, dass alle jungen Patienten nach einheitlichen Standards die jeweils beste Therapie erhalten, und zwar unter Bedingungen, die eine sehr gute Überwachung, einen intensiven Austausch aller Fachleute und die direkte Übernahme international verfügbaren neuen Wissens ermöglichen.

Viele der bei Kindern auftretenden Krebserkrankungen sprechen aufgrund ihrer Besonderheiten auch viel besser auf eine Chemotherapie an, als dies Krebszellen bei Erwachsenen tun.

Frage nach Spätfolgen

Gerade weil die Mehrzahl der betroffenen Kinder heute so gute Chancen auf Heilung hat, entstehen viele neue Fragen: Wie lange müssen Kinder und Jugendliche nachbetreut werden? Können ehemals krebskranke Kinder als Erwachsene ganz normal leben? Hat die Behandlung, vor allem die Chemotherapie, Spätfolgen? Wie sieht es mit eigenen Kindern aus?

Die Kinderärzte, vor allem die Spezialisten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH), wünschen sich auch weiterhin eine enge Vernetzung unter Ärzten und wollen mit Informationen dazu beitragen, dass auch ihre Fachkollegen, die Erwachsene behandeln, nicht ratlos vor den ehemaligen Krebspatienten mit ihren Fragen stehen.