Stammzellgewinnung aus Nabelschnurblut

Autor: PD Dr. med. G. Tallen, Freigabe: Dr. med. J-S. Kühl, Zuletzt geändert: 08.02.2017

Eine besondere Art der Stammzellgewinnung aus peripherem Blut ist die Nutzung von Plazenta- oder Nabelschnurblut.

In der Nabelschnur und im kindlichen Anteil des Mutterkuchens (Plazenta) befindet sich nach der Abnabelung eines Neugeborenen eine Stammzellzahl, die für eine allogene Stammzelltransplantation bei einem Kind ausreichen kann. Dieses Stammzellmaterial wird normalerweise verworfen. Wenn die Eltern einverstanden sind, kann es aber auch anonym an eine öffentliche, zentrale Nabelschnurbank gespendet werden. In diesem Fall werden die Nabelschnur-Stammzellen direkt nach der Geburt des Kindes gesammelt und für die Aufbewahrung in der Nabelschnurbank tiefgefroren.

Das gewonnene Material hat zwar durch die noch ausgeprägte Unreife der Zellen sowohl Vor- als auch Nachteile. Es stellt aber dennoch eine zusätzliche Möglichkeit oder auch Reserve für Kinder dar, die anderweitig keinen Spender haben. Die Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut bei Patienten mit gutartigen Erkrankungen des Blutes wird in Deutschland nur selten durchgeführt.

Gut zu wissen: Derzeit werden Stammzellen aus Nabelschnurblut nur allogen transplantiert. Für Behandlung einer späteren (Krebs)Erkrankung des Spenderkindes eignen sie sich nach heutigem Kenntnisstand nicht.

Im Übrigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zu einem späteren Zeitpunkt seine eigenen Stammzellen benötigt, sehr gering. Bei den gutartigen Bluterkrankungen im Kindes- und Jugendalter, sowie auch bei angeborenen Immundefekten und Stoffwechselerkrankungen, kommt eine autologe Stammzelltransplantation (also durch eigenes, eingefrorenes Nabelschnurblut) nicht in Frage. In den Fällen, in denen ein Kind eigene Stammzellen benötigt, zum Beispiel im Rahmen der Behandlung eines soliden Tumors [solider Tumor] können diese Stammzellen zum gegebenen Zeitpunkt auch aus dem peripheren Blut gewonnen werden (siehe Kapitel "Stammzellgewinnung aus dem Blut").

Eindeutige Statistiken im Hinblick auf den individuellen zukünftigen Bedarfs an eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen gibt es nicht. Schätzungen aus den USA bewegen sich beispielsweise zwischen 1: 1.000 bis 1: 200.000. Da somit konkrete Zahlen im Hinblick auf den individuellen zukünftigen Bedarfs an eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen fehlen, ist es nicht sinnvoll, deren Aufbewahrung als eine "biologische Lebensversicherung", zum Beispiel für den Fall einer späteren Krebserkrankung, zu betrachten.

Schwangere, deren älteres Kind möglicherweise zur Stammzelltransplantation ansteht, können sich vor der Entbindung vom behandelnden Kinderarzt beraten lassen, ob eine Nabelblutspende für das ältere Kind sinnvoll ist. Für bestimmte Fälle bieten unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens die Deutsche Knochenmark Spenderdatei (Dresden) oder Vita 34 kostenlose Geschwisterprogramme an. Es ist aber zu bedenken, dass ein nachgeborenes Geschwisterkind oft nur zu etwa 20 % ein geeigneter Spender bei einer nicht-malignen Bluterkrankung ist.

Zusammenfassend lässt sich aber feststellen, dass es zum heutigen Zeitpunkt nicht angemessen ist, Eltern die Aufbewahrung von Nabelschnurblut ihres neugeborenen Kindes zu empfehlen. Nabelschnurblut kann aber für andere Patienten gespendet werden.