Später auftretende Infektionen

Autor: PD Dr. med. G. Tallen, Freigabe: Dr. med. J-S. Kühl, PD Dr. med. S. Voigt, Zuletzt geändert: 21.11.2017

Patienten, die eine allogene Stammzelltransplantation erhalten, sind nicht nur in den Phasen unmittelbar vor und nach der Behandlung infektgefährdet. Auch nach der Regeneration des Knochenmarks besteht bei ihnen noch über längere Zeit eine große Infektionsgefahr. Dies hängt damit zusammen, dass sich das vom Spender übertragene Immunsystem im Patienten erst einmal neu entwickeln muss und dass die Patienten nach der Transplantation Medikamente erhalten, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsupression). Damit soll verhindert werden, dass es zur akuten Spender-gegen-Empfänger-Reaktion, kommt (siehe Kapitel „GvH-Krankheit).

Die meisten Infektionen treten innerhalb von drei bis sechs Monaten nach der Transplantation auf, also zu der Zeit, wo der Patient meist aus der Klinik bereits entlassen ist. Kommt es zu einer chronischen Spender-gegen-Empfänger-Reaktion, die eine länger dauernde immunsuppressive Therapie erforderlich macht, besteht die Infektgefährdung noch wesentlich länger.

Die bedeutsamsten Infektionen in dieser Phase, nachdem das Knochenmark bereits angewachsen ist aber das Immunsystem noch unterdrückt ist, werden durch verschiedene Pilze (meist Schimmelpilze) und Viren ausgelöst werden. Zu letzteren gehören beispielsweise Herpes-simplex-Viren, das Varizella-Zoster-Virus, das Epstein-Barr-Virus sowie das Zytomegalie-Virus. Diese Viren werden in der Regel nicht erst zu diesem Zeitpunkt von außen übertragen, sondern befinden sich infolge früherer, meist harmloser Infektionen schon länger im Körper des Patienten, allerdings in inaktiver Form. Durch die gedämpfte Abwehrlage des Patienten werden sie wieder angeregt und können vor allem lebensbedrohliche Lungenentzündungen (Pneumonien) hervorrufen.

Weitere Infektionserreger können seltenere Organismen wie Toxoplasma gondii (Erreger der Toxoplasmose) oder Pneumocystis jirovecii sein, die ebenfalls zu Lungen- oder auch Hirnhautentzündungen (Meningitiden) führen können.

Vorbeugung: Der Vorbeugung solcher Infektionen dienen in der frühen Transplantationsphase zunächst wiederum die beschriebenen Schutzmaßnahmen (siehe oben). Darüber hinaus wird aber noch über einen längeren Zeitraum nach der Transplantation die regelmäßige Einnahme von Medikamenten empfohlen, die sich gegen Viren (Virostatika) und Pilze (Antimykotika) richten. Zum Einsatz kommen weitere antibiotische Medikamente sowie bestimmte Eiweißsubstanzen, die die körpereigene Abwehr unterstützen (Immunglobuline).

Durch die geschilderten vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen konnten infektionsbedingte tödliche Komplikationen der Stammzelltransplantation deutlich verringert werden.

Wichtig ist noch zu wissen, dass gerade bei älteren Kindern im zweiten und dritten Winter nach Transplantation noch gehäuft grippale Infekte auftreten, obwohl das Immunsystem bereits gut funktioniert. Das liegt daran, dass das „Gedächtnis“ des Immunsystems durch die SZT vieles vergessen hat, dass der Infektionsschutz von vor der Transplantation praktisch verloren ist. Daher müssen auch die meisten Impfungen nach der Transplantation wiederholt werden.