Infektionen in der Frühphase nach Stammzelltransplantation (etwa bis Tag +30)

Autor: PD Dr. med. G. Tallen, Freigabe: Dr. med. J-S. Kühl, PD Dr. med. S. Voigt, Zuletzt geändert: 12.12.2016

Die ersten Wochen nach der Hochdosistherapie (Konditionierung) und der Stammzelltransplantation sind durch einen ausgeprägten Mangel an weißen Blutzellen (Leukozyten), roten Blutzellen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) gekennzeichnet. Grund dafür ist die herabgesetzte Knochenmarkfunktion, die sogenannte Knochenmarkaplasie. Sie kann durchschnittlich zwei bis vier Wochen anhalten, bevor sie, mit dem Anwachsen der neuen Stammzellen und der Wiederaufnahme der Blutbildung, in die sogenannte Regenerationsphase übergeht (siehe hierzu auch die Informationen zu Aplasie-Phase und Regenerationsphase).

Während der Mangel an Thrombozyten und Erythrozyten durch geeignete Transfusionen ausgeglichen werden kann, lässt sich die Funktion der Leukozyten durch eine Transfusion nicht in ausreichendem Maße ersetzen. Am gravierendsten ist in dieser Phase der Mangel an Granulozyten, einer Untergruppe der Leukozyten, die als sogenannte Fresszellen vor allem für die Bekämpfung von Bakterien und Pilzen zuständig sind.

Damit beginnt eine Phase der deutlich erhöhten Anfälligkeit für Infektionen. Behandlungsbedingte Schleimhautschäden im Mund- und Darmbereich erleichtern zusätzlich das Eindringen von Krankheitserregern.

Folgende Arten von Infektionen kommen in dieser Phase am häufigsten vor:

  • Infektionen durch Haut- und Darmbakterien
  • Infektionen durch Bakterien, die am Zentraler Venen-Katheter (z. B. Hickman-Katheter) sitzen
  • Infektionen durch Hefepilze (Candida spezies)
  • Infektion durch Herpes-simplex-Viren

Die Hauptinfektionsquelle ist der Darm oder der Zentrale Venen-Katheter. Seltener werden Krankheitserreger über die Nahrung oder eine andere Person übertragen.

Vorbeugende Maßnahmen

Obwohl es leistungsfähige Antibiotika, Pilzmittel und VirusmedikamenteAbdomengibt, die zum Teil auch vorbeugend verabreicht werden, stellt diese Periode eine Gefährdung für die Patienten dar, die nicht unterschätzt werden darf. Aus diesem Grund wurden wichtige zusätzliche Schutzmaßnahmen entwickelt.

Die wirksamste Maßnahme ist die Unterbringung des Patienten in einem sogenannten "Sterilzimmer". Eine bedeutende Rolle spielen in diesem Zusammenhang:

  • Filterluftanlagen ("Laminar-Airflow-Einheiten") in den Patientenzimmern
  • die Sterilisation oder Desinfektion aller Dinge, die in das Patientenzimmer gebracht werden
  • eine keimarme Ernährung
  • Zugang für die Angehörigen nur mit spezieller Schutzkleidung und Mundschutz sowie nach gründlicher und regelmäßiger Hände-Desinfektion
  • die Vermeidung von Kontakt zu bestimmten Pflanzen oder Tieren

Gut zu wissen: Einzelheiten zu diesen und weiteren Schutzmaßnahmen erhalten Sie von Ihrem Transplantationsteam.

Behandlung von Infektionen

Trotz all dieser Maßnahmen treten bei den meisten Patienten in der Zeit der Knochenmarkaplasie Fieberphasen als Zeichen einer Infektion auf.

Die Therapie wird nach einem in jedem Zentrum optimierten Stufenschema durchgeführt. Da bakterielle Infektionen in dieser Phase am wahrscheinlichsten sind, werden unverzüglich Antibiotika über den Venenverweilkatheter [zentraler Venenkatheter] verabreicht. In der Regel handelt es sich zunächst um Breitspektrumantibiotika, die gegen verschiedene Bakterien wirksam sind. Wenn sich ein bestimmter Erreger feststellen lässt, kann die Antibiotika-Therapie entsprechend angepasst werden. Ist der zentrale Venenkatheter Ausgangspunkt der Infektion, muss er meist entfernt beziehungsweise ersetzt werden.

Infektionen durch Fadenpilze (Schimmelpilze, Aspergillus) und Hefepilze (Candida-Arten) führen häufig zu Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen. Sie sind prinzipiell lebensbedrohlich, daher erhält der Patient bereits vorbeugend bestimmte Medikamente. Wird trotz der Prophylaxe eine Pilzinfektion der Lunge festgestellt, zum Beispiel bei einer Röntgenuntersuchung des Brustkorbs, werden andere Pilzmedikamente gegeben. Die Mehrzahl der Pilzinfektionen lässt sich dadurch erfolgreich behandeln.

Herpes-simplex-Viren sind bei vielen Patienten schon im Körper und werden, wenn das Immunsystem geschwächt ist, häufig reaktiviert. Es bilden sich dann Bläschen oder offene Stellen im Mund („Lippenherpes“), die mit erheblichen Schluckbeschwerden einhergehen können. Um eine Infektion mit dem Virus beziehungsweise seine Reaktivierung von vornherein zu verhindern, erhalten alle Patienten eine vorbeugende Behandlung mit Aciclovir. Wenn trotz dieser Behandlung Herpes-simplex-Viren zeigen, werden andere Virusmedikamente eingesetzt.

In den meisten Fällen klingen vor allem bakterielle Infektionen mit der Regeneration des Knochenmarks, also ungefähr vier Wochen nach der Transplantation, wieder ab. Die transplantierten Stammzellen sind dann in der Lage, ausreichend eigene, funktionierende Abwehrzellen (in erster Linie Granulozyten) zu bilden.

Gut zu wissen: Lebensbedrohliche Infektionen zur Zeit der Aplasiephase sind wegen guter Behandlungsmöglichkeiten insgesamt eher selten.