Stammzellgewinnung aus dem Knochenmark

Autor: PD Dr. med. G. Tallen, Freigabe: Dr. med. J-S. Kühl, Zuletzt geändert: 08.02.2017

Der ideale Ort zur Gewinnung von Blutstammzellen aus dem Knochenmark ist der hintere Beckenkamm. Denn dort ist das Knochenmark nur durch eine relativ dünne Knochenschicht von der Haut getrennt, so dass die Entnahme ohne wesentliches Risiko erfolgen kann. Durch mehrfache Punktionen auf beiden Seiten des Beckenkamms werden dem Spender, nach vorheriger eingehender Untersuchung, bis zu 1500 ml Knochenmarkblut entnommen (nur bei Erwachsenen möglich). Die benötigte Entnahmemenge richtet sich nach dem Gewicht des Empfängers; allerdings hat der Schutz des Spenders dabei immer Vorrang.

Für den Empfänger des Transplantats ist wichtig, dass die Zahl der Blut bildenden Stammzellen für den Wiederaufbau der Blutbildung ausreicht. Beim Spender wird berücksichtigt, dass höchstens 25 % seines Gesamt-Blutvolumens für die Transplantation entnommen werden und er möglichst nicht auf eine Bluttransfusion zum Ausgleich des Blutverlustes angewiesen ist. Selten erhält der Spender als Ersatz aber Eigenblut zurück, das ihm vorsorglich vor der Stammzellgewinnung entnommen wurde.

Die Punktionen zur Stammzellgewinnung unterscheiden sich in ihrer Durchführung nicht von den Knochenmarkpunktionen, die bei den meisten Patienten im Rahmen der Diagnose und / oder Behandlung ihrer Grunderkrankung vorgenommen werden. Allerdings sind meist mehrere Punktionen notwendig, um genügend Stammzellen für eine SZT zu gewinnen. Damit dabei keine Schmerzen auftreten, erfolgt der Eingriff nur in Vollnarkose.

Zunächst wird der Spender (bzw. die Eltern/ Erziehungsberechtigten) durch einen Arzt über die Spende aufgeklärt und -bei Einverständnis- der Spender auf seine Tauglichkeit hin geprüft. Dieser Arzt gibt den Spender dann für die Entnahme frei.

Außerdem untersucht ein Narkosearzt (Anästhesist) den Spender rechtzeitig vor dem Eingriff hinsichtlich seiner Narkosefähigkeit; die Befunde der Voruntersuchungen werden diesbezüglich genau überprüft. Der Eingriff darf nur durchgeführt werden, wenn der Knochenmarkspender (bei minderjährigem Spender auch dessen Eltern) zuvor durch den freigebenden Arzt, den Narkosearzt und meist noch den Arzt, der die Knochenmarkentnahme durchführen wird, ausführlich über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde und schriftlich sein Einverständnis erklärt hat. Bei minderjährigen Spendern sind es deren Eltern / Erziehungsberechtigten, die einwilligen müssen. Das Narkoserisiko für gesunde Spender ist minimal. Gerade bei kleinen Kindern sollten die Eltern jedoch darauf achten, dass diese keinen frischen Infekt vor der OP entwickeln.

Das gewonnene Knochenmark ist wie normales fließendes Blut flüssig und ähnelt diesem auch in seinen Bestandteilen. Es muss allerdings durch Zusatzstoffe im OP ungerinnbar gemacht werden. Das Knochenmark hat einen höheren Anteil an weißen Blutzellen (Leukozyten) und deren Vorläuferzellen, zu denen auch die beschriebenen Stammzellen gehören. Genau diese Zellen werden benötigt, denn sie sind für die Regeneration des Empfänger-Knochenmarks, wie sie mit einer Stammzelltransplantation angestrebt wird, verantwortlich.

Die im Transplantat enthaltenen reifen roten Blutkörperchen können bei passenden Blutgruppen zwischen Spender und Empfänger mit transfundiert werden. Im Falle unterschiedlicher Blutgruppen ist aber meist die Abtrennung von roten Blutkörperchen und/oder Blutplasma erforderlich.

Wichtig für den Spender: Die Zellen des gesunden Knochenmarks besitzen die außerordentliche Fähigkeit, sich selbst zu vermehren. Deshalb kann das Knochenmark auch nach zahlreichen Punktionen den entstandenen Zellverlust in kurzer Zeit wieder ausgleichen. Das entnommene Knochenmark bildet sich innerhalb von wenigen Wochen wieder nach, so dass dem Spender durch die Knochenmarkspende kein bleibender Schaden zugefügt wird. Entscheidend ist nur der akute Blutverlust. Zur Unterstützung der Nachbildung roter Blutkörperchen kann für einige Wochen die Einnahme von Eisen sinnvoll sein. Die Knochenmarkentnahme kann für den Spender vorübergehend mit leichten Befindlichkeitsstörungen (wie Müdigkeit oder Schmerzen an den Punktionsstellen) verbunden sein. Jugendliche und Erwachsene Spender sollten für 6-8 Wochen keine schwere körperliche Arbeit verrichten.