Diagnostik: Wie wird die ß-Thalassämie festgestellt?
Autor: Prof. Dr. med. Holger Cario, erstellt am: 06.02.2012, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Freigabe: PD Dr. med. Gesche Tallen, Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 05.02.2020
Vermutet der Arzt aufgrund der Krankheitsgeschichte (Anamnese) und nach körperlicher Untersuchung Ihres Kindes eine ß-Thalassämie, so wird er eine Blutentnahme für ein Blutbild vornehmen. Besteht der Verdacht auf eine Thalassämie danach fort, werden in der Regel folgende Untersuchungen durchgeführt, um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen:
Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose einer ß-Thalassämie
- Blutbild zur Bestimmung von Größe und Volumen der roten Blutkörperchen sowie deren Gehalt an rotem Blutfarbstoff - eine ß-Thalassämie wird diagnostiziert, wenn diese Messgrößen stark erniedrigt sind
- mikroskopische Untersuchung von Blutzellen (Blutausstrich) zur Beurteilung des Aussehens der roten Blutzellen – bei Patienten mit ß-Thalassämie sind diese blasser (hypochrom), kleiner (mikrozytär) als normal, unterschiedlich groß (anisozytär) und verformt (poikilozytär).
- Hämoglobinanalyse zur Bestimmung der Hämoglobinformen wie „erwachsenes“ Hämoglobin (HbA1 und HbA2) oder fetales Hämoglobin (HbF) (siehe „Ursachen“)
- molekulargenetische Untersuchungen zur Suche nach den zugrunde liegenden Defekten (Mutationen) in der Erbinformation (Gen) für die Eiweißketten (Globinketten) des roten Blutfarbstoffs sowie zur Abklärung zusätzlicher genetischer Einflussfaktoren, die bei einer Thalassaemia intermedia vorliegen können (siehe „Erkrankungsformen“)
- Familienuntersuchung (Blutbild, Hämoglobinanalyse und molekulargenetische Identifikation der Thalassämie-Mutationen bei den Eltern) für die Vorbereitung einer genetischen Beratung sowie einer späteren vorgeburtlichen (pränatalen) Diagnostik
Eltern von Kindern mit Verdacht auf eine Thalassämie sollten wissen:
Neben der ß-Thalassämie gibt es weitere Ursachen für eine Blutarmut und einer Milzvergrößerung, die ebenfalls mit erhöhten HbF-Spiegeln einhergehen können. Diese müssen - außer bei Kindern mit verdächtigen Beschwerden und gleichzeitig typischer ethnischer Herkunft (siehe „Vorkommen und Häufigkeit“) - vor dem Behandlungsbeginn durch zusätzliche Untersuchungen ausgeschlossen werden. Ihr Kind beziehungsweise Ihre Familie sollte zur fachgerechten Beratung, Therapieplanung und Begleitung in einem Spezialzentrum von einem Behandlungsteam weiterbetreut werden, das auf Bluterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für Pädiatrische Hämatologie).
Begleitende Untersuchungen
Weitere Untersuchungen können im Verlauf notwendig werden, um erkrankungs- und behandlungsbedingte Komplikationen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln beziehungsweise, um diesen vorzubeugen. Die Durchführung der folgenden Verlaufsuntersuchungen trägt wesentlich zu einer verbesserten Prognose von Kindern und Jugendlichen mit ß-Thalassämie bei:
- regelmäßige körperliche Untersuchungen im Spezialzentrum (etwa alle drei Monate) – vor allem zur Überwachung des Allgemeinzustands, des Körperwachstums und der Pubertätsentwicklung
- regelmäßige Blutuntersuchungen (individuell) zur Beurteilung der Blutarmut, zur Überwachung der Eisenüberladung und Früherkennung von deren möglichen Komplikationen (siehe Krankheitszeichen)
- Blutgruppenbestimmung und Virusserologie im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Bluttransfusionen
- HLA-Typisierung (auch bei Geschwistern) im Hinblick auf eine eventuell notwendig werdende Stammzelltransplantation (siehe „Behandlung“)
- regelmäßige Bild gebende Untersuchungen wie Ultraschall verschiedener Organe (z. B. Herz, Leber) zur Überwachung der Eisenüberladung und zum Ausschluss oder zur Früherkennung von Blutbildungsherden außerhalb des Knochenmarks (siehe „Krankheitszeichen“) (etwa einmal im Jahr)
- regelmäßige Untersuchungen des Herzens wie Elektrokardiographie (EKG), Echokardiographie und Magnetresonanztomographie (Kardio-MRT) zur Überwachung der Herzleistung (einmal im Jahr ab dem 10. Lebensjahr)
- Röntgenuntersuchungen zur Überwachung von Skelettveränderungen durch die gesteigerte Blutbildung im Knochenmark (siehe „Krankheitszeichen“) (etwa einmal jährlich bei älteren Kindern)
- Möglichkeit der vorgeburtlichen (pränatalen) Diagnostik bei schwangeren Patientinnen und genetische Beratung
Anmerkung: Nicht alle Untersuchungen sind bei jedem Thalassämiepatienten notwendig. Ihr Behandlungsteam wird Sie darüber informieren, welche diagnostischen Verfahren bei Ihrem Kind jeweils erforderlich sind.