Ursachen: Wie entsteht eine Eisenmangelanämie?
Autor: Dr. med. Joachim Kunz, erstellt am: 15.10.2011, Redaktion: Julia Dobke, Freigabe: PD Dr. med. Gesche Tallen, Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 22.06.2021
Inhaltsverzeichnis
Die Eisenmangelanämie wird durch Eisenmangel verursacht. Um besser zu verstehen, wie es dazu kommt, ist es zunächst wichtig, etwas mehr über Eisen und seinen Stoffwechsel zu erfahren.
Eisen und Eisenstoffwechsel
Eisen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Es wird in erster Linie zur Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und damit zur Sauerstoffversorgung aller Organe benötigt (siehe Kapitel "Was ist Blut und wozu wird es gebraucht?").
Eisen ist in unterschiedlichen Formen und Mengen in allen Nahrungsmitteln vorhanden. Beim Gesunden gelangt es über die Schleimhautzellen des Darms aus der Nahrung in den Körper. Vitamin C steigert die Aufnahme, insbesondere von Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln. Pflanzliches Eisen liegt in einer Form vor, die von den Darmzellen allein nicht gut verdaut werden kann. Bei Eisen aus Fleisch, Fisch und auch aus der Muttermilch hingegen handelt es sich um Eisenformen, die die Darmzellen selbständig ins Blut weiterleiten können. Schon eine geringe Störung des Gleichgewichtes zwischen der Eisenaufnahme im Darm und dem Eisenverbrauch kann zur Entwicklung eines Eisenmangels bei Kindern und Jugendlichen führen.
Die Blutarmut entwickelt sich in der Folge schrittweise: Zunächst werden die körpereigenen Eisenspeicher in der Leber, im Knochenmark und in der Muskulatur geleert. Wenn dieses so genannte Speichereisen (Ferritin) aufgebraucht ist und dem Körper weiterhin nicht genügend Eisen zugeführt wird, wird das Transporteisen (Transferrin) für die Blutbildung verwendet und aufgebraucht. Beim Transporteisen handelt es sich um Eisen, das im Blut normalerweise an Transporteiweiße gebunden ist, so dass es zu verschiedenen Organen transportiert werden kann. Bei einem Eisenmangel sind diese Eiweiße nicht mehr ausreichend mit Eisen beladen und viele Organe erhalten nicht mehr genügend Eisen.Besteht der Eisenmangel noch weiter fort, sinken der Gehalt an rotem Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen, deren Anzahl und auch deren Größe ab und der Patient leidet an Blutarmut (Anämie). Im Folgenden wird kurz erläutert, wie es bei Kindern und Jugendlichen zum Eisenmangel kommen kann.
Verminderte Eisenaufnahme
Einseitige Ernährung
Die weltweit häufigste Ursache für einen Eisenmangel, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist eine unzureichende Eisenzufuhr über die Nahrung. In den Industrieländern trägt eine einseitige, eisenarme Ernährung wie bei streng vegetarischer Kost oder bei ausschließlicher Kuhmilchernährung von Säuglingen, zum Eisenmangel bei. Die am besten verwertbare Eisenquelle der Nahrung ist Fleisch. Hingegen können verschiedene Substanzen in manchen Nahrungsmitteln wie Hülsenfrüchte, Nüsse, Tee, Coca-Cola und Limonaden die Eisenaufnahme hemmen.
Störungen der Eisenaufnahme im Darm
Ein Eisenmangel trotz ausreichender Zufuhr mit der Nahrung kann bei einer verminderten Eisenaufnahmefähigkeit des Darmes auftreten. Diese kommt bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie der glutensensitiven Sprue (Zöliakie) oder bei seltenen angeborenen Defekten der Eisenregulation (z. B. bei „IRIDA“,= „iron resistant iron deficiency anaemia“) vor.
Vermehrter Eisenverbrauch
Es gibt Situationen, in denen Kinder und Jugendliche Eisen verlieren. Hierzu gehören zum Beispiel Blutverluste. Bei jungen Mädchen sind die häufigsten Ursachen für Blutverluste, die zum Eisenmangel führen, starke und lang anhaltende Monatsblutungen. Weitere Ursachen sind Blutverluste über den Darm, beispielsweise bei schweren Durchfallerkrankungen, Darmpolypen oder Befall mit Hakenwürmern. Letztere ist weltweit insgesamt eine häufige, in Deutschland allerdings eher eine seltene Ursache für Blutverluste. Bei Kindern und Jugendlichen mit Blutgerinnungsstörungen können bereits Blutungen wie Nasenbluten zum Eisenmangel führen.
Gesteigerter Eisenbedarf
Der Eisenbedarf bei Kindern und Jugendlichen ist stark alters- und geschlechtsabhängig. Bei Kindern in den ersten vier bis sechs Monaten nach der Geburt ist der Eisenbedarf aus der Nahrung relativ gering. Das liegt daran, dass gesunde Säuglinge über relativ mehr Blutzellen als ältere Kinder verfügen. In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres kommt es bei gesunden Babys allerdings in Verbindung mit starkem Körperwachstum zu einem vermehrten Einbau von Eisen in den Körper und dadurch zu einem vorübergehenden Eisenmangel. Danach und vor Ende des zweiten Lebensjahres erfahren Kinder in der Regel einen ersten großen Wachstumsschub, der für eine geraume Zeit einen hohen Eisenbedarf mit sich bringt. Der zweite große Wachstumsschub erfolgt in der Pubertät. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass das Pubertätswachstum bei Mädchen gewöhnlich früher beginnt als bei Jungen. Ein zusätzlicher Eisenbedarf wird bei Mädchen durch die Menstruation verursacht – er liegt beispielsweise bei 14-Jährigen um etwa 30% höher als bei erwachsenen Frauen. Sportler, bei denen die Muskelmasse zunimmt, benötigen hierfür ebenfalls eine erhöhte Eisenzufuhr.