Erkrankungsformen: Welche Arten der autoimmunhämolytischen Anämie (AIHA) gibt es?
Autor: Dr. med. Joachim Kunz, erstellt am: 28.02.2012, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Freigabe: Dr. med. Gesche Tallen, Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 28.02.2012
Die Formen der autoimmunhämolytischen Anämie (AIHA) werden aufgrund der Art der besonderen Abwehrstoffe (Antikörper), die gegen die eigenen roten Blutkörperchen (Erythrozyten) gebildet werden, wie folgt unterschieden:
AIHA vom Wärmetyp
Bei über der Hälfte der betroffenen Kinder und Jugendlichen wird die AIHA durch so genannte Wärmeantikörper verursacht. Diese Antikörper binden sich bei Körpertemperatur (37°C) an die roten Blutkörperchen. In der Folge werden diese vorzeitig und vermehrt in der Milz abgebaut (extravasale Hämolyse). Die AIHA vom Wärmetyp kann ohne erkennbare Ursache oder als Begleiterkrankung anderer Grundkrankheiten auftreten (siehe Ursachen). Eine AIHA vom Wärmetyp kommt in allen Altersgruppen vor. Insgesamt erkranken Kinder und Jugendliche jedoch seltener als Erwachsene.
AIHA vom Kältetyp
Eine AIHA vom Kältetyp wird durch so genannte Kälteantikörper verursacht. Das sind Antikörper, die im Labor dadurch nachgewiesen werden, dass sie sich bei niedrigen Temperaturen (um 4°C) an die roten Blutkörperchen binden. Entsprechend wird eine AIHA vom Kältetyp neben anderen Faktoren (siehe Ursachen) vorzugsweise durch Kälteeinwirkung ausgelöst. Die daraufhin vom Abwehrsystem gebildeten Kälteantikörper binden an die gesunden roten Blutkörperchen des Patienten. Anschließend kommt es bereits in der Blutbahn zum beschleunigten Abbau der Erythrozyten (intravasale Hämolyse). Aufgrund verschiedener Krankheitszeichen und –verläufe unterscheidet man folgende AIHA vom Kältetyp:
- AIHA vom Donath-Landsteiner-Typ (so genannte paroxysmale Kältehämoglobinurie)
- Akut reversible AIHA vom Kältetyp (so genannte Kälteagglutininerkrankung)
AIHA vom Donath-Landsteiner-Typ (paroxysmale Kältehämoglobinurie)
Nach der AIHA vom Wärmetyp (siehe oben) ist diese Form die zweithäufigste AIHA im Kindesalter. Sie wird durch Kälteantikörper ausgelöst und kommt fast nur bei Kindern unter 13 Jahren vor. Die Antikörperbildung wird durch Virusinfektionen wie Luftwegsinfekte, Masern, Mumps, Windpocken oder Grippe ausgelöst. Typischerweise erzeugt Kälte bei den betroffenen Kindern plötzlich und vorübergehend (paroxysmal) Zeichen des gesteigerten Erythrozytenabbaus in der Blutbahn (intravasale Hämolyse) wie Blässe, anfallsartige Bauchschmerzen und Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, Rückenschmerzen, Schüttelfrost, dunklen Urin und Fieber (siehe Krankheitszeichen). Bei der Hämolyse wird vermehrt roter Blutfarbstoff (Hämoglobin) aus den roten Blutkörperchen frei und mit dem Urin ausgeschieden (Hämoglobinurie). Dadurch verfärbt sich dieser dunkel.
Akut reversible AIHA vom Kältetyp (Kälteagglutininerkrankung)
Diese Form der AIHA vom Kältetyp tritt wie die paroxysmale Kältehämoglobinurie plötzlich (akut) mit Zeichen der Hämolyse (siehe oben) im Anschluss an bestimmte Infektionen auf (siehe Ursachen). Allerdings haben die Kälteantikörper hier andere Eigenschaften als die Antikörper vom Donath-Landsteiner-Typ. Weil sie bei Kälte typischerweise eine Verklumpung (Agglutination) der roten Blutkörperchen herbeiführen, werden sie auch Kälteagglutinine genannt. Die AIHA wird dann entsprechend als Kälteagglutininerkrankung bezeichnet. Durch die Verklumpung mit den Antikörpern verändert sich die Wandbeschaffenheit der roten Blutkörperchen. Diese Veränderung hat wiederum zur Folge, dass das Abwehrsystem die gesunden Erythrozyten fälschlicherweise als schädliche Fremdlinge erkennt und sie deshalb vernichtet. Die Kälteagglutininerkrankung kommt insgesamt nur selten vor und betrifft vorzugsweise ältere Kinder und Jugendliche.