Krankheitsformen: B-Zell-Defekte, T-Zell-Defekte und deren Kombination
Autor: Prof. Dr. med. Volker Wahn, Julia Dobke, Prof. Dr. med. Tim Niehues, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 13.12.2017
B-Zell-Defekte
Beim häufigsten Defekt des Immunsystems, dem so genannten IgA-Mangel, sind B-Zellen nicht in der Lage, das Immunglobulin A (IgA) zu bilden. IgA ist eines der Antikörper (Immunglobuline) der vier Immunglobulin klassen (IgA, IgG, IgM, IgE). Etwa die Hälfte der Menschen, die kein IgA haben, entwickelt gar keine Symptome. Die andere Hälfte hat häufige Infekte im Bereich der Lunge und des Darmes.
Bei jungen Erwachsenen tritt häufig der so genannte Common Variable Immundeficiency Disorder-Immundefekt auf (CVID). Hier sind die Antikörperspiegel niedrig, es sind aber B-Lymphozyten vorhanden. Diese B-Zellen sind nicht in der Lage gut auszureifen und ausreichend Antikörper zu bilden. Man nimmt an, dass sich die B-Zellen im Verlauf vieler Jahre erschöpfen, daher tritt dieser Imundefekt nicht in der Kindheit, sondern erst im jungen Erwachsenenalter auf. Patienten mit einem solchen Immundefekt haben häufige LungenInfektionen und die Lunge droht deshalb im Laufe von Jahrzehnten schweren Schaden zu nehmen. Darüber hinaus kann der Magen-Darm-Trakt betroffen sein mit der Folge von chronischen Durchfällen.
Bei einer Agammaglobulinämie sind keine B-Zellen vorhanden. Hier finden sich nur noch Spuren der Antikörper IgG, IgA, IgM und IgE. Diese Patienten können lebensgefährlich an Infektionen mit Bakterien und Pilzen erkranken und brauchen einen lebenslangen Ersatz von Antikörpern (so genannte Immunglobulin-Substitution), die aus Blutplasmaspenden hergestellt werden. Eine Immunglobulin-Substitution ist auch bei Patienten mit CVID erforderlich. Patienten, denen nur der Antikörper IgA fehlt, benötigen keine spezifische Therapie.
T-Zell-Defekte
Die Ursachen von einem Fehlen oder einer fehlenden Funktion von T-Lymphozyten können sehr unterschiedlich sein. Entweder können sich die T-Zellen nicht ausreichend ausbilden und bleiben funktionslos oder sie sind auf Grund des Fehlens einzelner Bestanddteile (Moleküle) nicht funktionsfähig. Die Erkrankungen machen sich durch verschiedene Symptome bemerkbar: Bei einigen kommt es zu schweren Infektionen mit einem bestimmten Virus wie beispielsweise das Zytomegalie-Virus oder das Epstein-Barr-Virus (Verursacher des Pfeifferschen Drüsenfiebers).
Bei anderen T-Zell-Defekten kommt es zu einer chronischen Entzündung des Darmes mit häufigen Durchfällen. Einige der T-Zell-Defekterkrankungen betreffen auch andere Organsysteme. Beim Wiskott-Aldrich-Syndrom sind oft Blutplättchen und die Haut betroffen. Bei anderen T-Zell-Defekten liegt die Ursache in einer gestörten Reparatur der Erbsubstanz. Diese Kinder haben häufig ein ungewöhnliches Aussehen mit auffällig aussehenden oder zu kleinem Schädel und/oder Gesicht. Es sind nicht nur die Lymphozyten, sondern auch andere Blutzellreihen (rote Blutkörperchen) betroffen.
Beim so genannten DiGeorge-Syndrom fehlt die Thymusdrüse oder sie ist nur unvollständig angelegt. Diese Erkrankung ist häufig auch mit Herzfehlern behaftet. Das DiGeorge-Syndrom ist gar nicht so selten mit einer Häufigkeit von ca. 1:4000 Neugeborenen.
Kombinierte T/B-Zell-Defekte
Die schwerste Form des Immundefektes nennt sich schwerer kombinierter Immundefekt (severe combined immunodeficiency SCID). Diese Erkrankungen sind sehr selten, mit Häufigkeiten von ca. 1-5/100.000 Neugeborenen.
In den USA und wahrscheinlich auch zukünftig in Deutschland lassen sich diese Erkrankungen schon bei Geburt testen mittels einer Trockenblutkarte (NeugeborenenScreening).
Bleibt die Erkrankung unerkannt, so können innerhalb von wenigen Tagen lebensbedrohliche Infektionen auftreten und die Kinder schnell versterben. Die einzig kurative Therapie ist derzeit die hämatopoetische Stammzelltransplantation
In einigen Fällen weltweit sind Erfolge mit einer Gentherapie berichtet worden. Die Technik der Gentherapie ist aber noch mit potentiell schweren Komplikationen wie gehäuftes Auftreten von Leukämien verbunden. Es ist in den nächsten Jahren zu erwarten, dass sich Diagnostik- und Therapiemaßnahmen verbessern und sich so die Heilungsaussichten erhöhen.