Krankheitsbild: Was sind Faktorenmangelerkrankungen?

Autor: PD Dr. med. G. Tallen, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 24.05.2017

Faktorenmangelerkrankungen sind seltene, angeborene Störungen der Blutstillung (Blutgerinnung‎‎). Diese Störungen werden durch das Fehlen oder eine zu geringe und fehlerhafte Bildung wichtiger Eiweiße (Proteine), der Gerinnungsfaktoren, verursacht. Dabei handelt es sich um Proteine, die in einem komplexen Zusammenspiel die Blutgerinnung nach einer Gefäßverletzung regulieren.

Um eine Blutung, zum Beispiel nach einer Gefäßverletzung zu stoppen, ist eine Verklumpung von Blutplättchen (Thrombozyten) mit Hilfe von Fibrin erforderlich. Normalerweise verklumpen Blutplättchen nicht spontan, da ansonsten Gefäßverschlüsse (Thrombose‎‎n, Infarkt‎‎e) die Folge wären. Erst im Ernstfall, also bei einer blutigen Verletzung, läuft der Gerinnungsprozess ab. Gerinnungsfaktoren treiben diesen Prozess an. Sie werden in der Leber gebildet und dann ins Blut abgegeben. Die Blutspiegel der meisten Gerinnungsfaktoren können mit bestimmten Tests gemessen werden.

Fehlen bestimmte Gerinnungsfaktoren oder funktionieren sie nicht richtig, so neigen die Patienten vermehrt dazu, nach einer - wenn auch nur sehr kleinen - Verletzung stärker und auch länger als Gesunde zu bluten. Vielen Betroffenen ist ihre Veranlagung jedoch nicht bewusst. So kann es völlig unerwartet bereits bei kleinen operativen Eingriffen, wie beispielsweise beim Zahnziehen, zu starken Blutungen kommen.

Eine Ausnahme sind Betroffene mit einem Faktor XII-Mangel. Sie leiden nicht an einer Gerinnungsstörung, da der Faktor XII keine wesentliche Bedeutung für die Blutstillung hat.

Unbehandelt können manche Faktorenmangelerkrankungen mit lebensbedrohlichen Komplikationen und dauerhaften Spätschäden einhergehen.

Mehr professionelle Aufklärung über diese Krankheitsbilder sowie kontinuierliche Fortschritte im Bereich der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Prognose vieler Patienten verbessert wurde.

Wenn eine Faktormangelerkrankung frühzeitig erkannt und fachgerecht behandelt wird, können viele Komplikationen vermieden werden. Eine Voraussetzung ist, dass die Patienten von einem spezialisierten Behandlungsteam betreut werden, welches eng mit Haus- und Kinderärzten zusammenarbeitet.